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„Die Elbe floss einen Umweg“

Der Geograf Jürgen Ehlers spricht über Eiszeit und Klimawandel

Foto: privat

Jürgen Ehlers

74, Geograf, hat am geologischen Landesamt Hamburg gearbeitet und schreibt Krimis.

Interview Petra Schellen

taz: Herr Ehlers, wie sah Norddeutschland in der Eiszeit aus?

Jürgen Ehlers: Das kommt drauf an, von welcher Phase der Eiszeit wir sprechen. Das Eiszeitalter umfasst ja Kalt- und Warmzeiten. In den Warmzeiten war es meist so warm wie heute. In den Kaltzeiten deutlich kälter, und manchmal kam das Eis bis nach Hamburg.

Wann zum Beispiel?

Zuletzt in der Weichsel-Eiszeit vor 15.000 Jahren. Aber auch da war Hamburg nicht komplett vergletschert. Die Gletscher sind im nördlichen Bereich liegen geblieben – in den heutigen Stadtteilen Berne, Farmsen, Volksdorf. Die übrige Landschaft war ziemlich kahl, hatte allenfalls eine Art Steppenvegetation.

Gibt es die Elbe dank der Eiszeit?

Ihren norddeutschen Teil. Die Gletscherlandschaft der Weichsel-Eiszeit verlief von Hamburg bis Litauen in einer gewellten Linie, nördlich des verlängerten Elbtals. Das heißt, die kleinen Flüsse aus dem Mittelgebirge konnten nicht ihren „logischen“ direkten Weg in die Ostsee nehmen. Der war ja durch die Gletscher versperrt, sodass das Wasser einen Umweg nahm und nach Westen in die Nordsee floss. Die Elbe ist ein Zusammenfluss kleiner Flüsse und des eiszeitlichen Schmelzwassers der Gletscher.

Wann kommt die nächste Eiszeit?

Wir sind mittendrin – nur eben in der Warmphase. Vegetation und Bodenbeschaffenheit deuten eigentlich darauf hin, dass unsere Warmzeit sich dem Ende zuneigt. Aufgrund der – auch menschengemachten – Klimaveränderung vermutet die Wissenschaft aber jetzt, dass die Warmphase viel länger dauern könnte.

Vortrag „Eiszeit in Harburg“: heute, 28. 4., 18 Uhr, Archäologisches Museum Hamburg-Harburg (FFP2-Maskenpflicht)

Ist Ihr Vortrag eher Rückschau oder Mahnung?

Es ist ein Überblick. Aber die Mahnung wird sehr deutlich. Zudem will ich zeigen, was man über die Eiszeit weiß und was jeder wissen kann. Denn durch das Informationsfreiheitsgesetz sind Karten und Luftbilder frei verfügbar. Wer einen größeren Überblick möchte, greift auf Satellitenbilder zurück.

Welche zum Beispiel?

Vor einigen Jahren haben die USA Daten und Bilder ihrer Spionage-Satelliten der 1960er-Jahre freigegeben, die man beim United States Geological Survey abrufen kann. Wenn man sie mit aktuellen Satellitenbildern vergleicht, kann man sehen, was sich über längere Zeiträume verändert hat – etwa beim Permafrost und beim Meeresspiegelanstieg. Auch diese Bilder zeigen: Der Klimawandel ist nicht zu leugnen, und wir müssen überlegen, wie damit umgehen.

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