berliner szenen: Sonntag Kuchenim Garten
Es kann einem gerade gar nicht gut gehen. Vor allem nicht, wenn man ständig Nachrichten hört, so wie ich“, antwortet die Freundin auf meine Frage: „Wie geht es dir denn?“. Trotzdem versuchen wir es uns an diesem Sonntagnachmittag in ihrem Garten gut gehen zu lassen. Ich hatte mir Apfelstrudel gewünscht, weil ihrer der beste der Welt ist, es gibt aber Kirschstreusel stattdessen. Auch wunderbar.
Sie schlägt die Sahne, während ich mir Mühe gebe, den Tisch „schön“ zu decken – so meine Aufgabe. Wir schieben vorsichtig den bunt gedeckten Tisch neben dem Kornelkirschenbaum, wo die Sonnenstrahlen länger bleiben zu wollen scheinen. Sie setzt sich mit dem Rücken zur Sonne (wegen ihrer sensiblen Augen ist das besser). Ich freue mich, das Licht voll ins Gesicht zu bekommen, davon geblendet zu sein. Wir reden über Eidechsen und Waschbären, über Liebe und Freundschaft, über Textideen und Körperschmerzen.
Über den Krieg reden wir nicht viel. „Der Krieg muss aufhören“, sagt sie. Es gibt Wasser und Kaffee, Tee, Pistazien und Mandeln mit Schokoladen. Gegenüber wird ein Geburtstag gefeiert, Kinder schreien herum, es wird gesungen. Wir reden dagegen leise, als würden wir uns Geheimnisse verraten und uns jemand hören könnte.
Als die Sonne sich hinter den Bäumen versteckt, ziehen wir uns warme Sachen an und räumen alles auf. Beim Fahren auf den schmalen Straßen der Gartenkolonie mit dem Rad, sehen wir einen Fuchs, der ungestört von unseren Blicken auf einer verlassenen Parzelle nach Essen sucht und am Ende pinkelt. In den Rehbergen, auf dem Weg zurück, pflücken wir Bärlauch. Meine Hände und meine Tasche riechen intensiv danach. Als ich zu Hause bin, fange ich an, Bärlauchpesto zu machen, während ich die 20-Uhr-Nachrichten höre.
Luciana Ferrando
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