: Kölner Theoriegebäude erhält ein Fundament
Für Nicolaus Schafhausen braucht Kunst in der mobilen Stadtgesellschaft zwar keinen „festen“ Ort. Dennoch sieht der Gründungsdirektor der „European Kunsthalle“ für Köln die Notwendigkeit eines realen Raumes zur Selbstpräsentation
KÖLN taz ■ Langsam füllt sich das „Loch“ am Neumarkt. Gerade erst wurde der Grundstein für das neue Kulturzentrum gelegt. Vor allem das Rautenstrauch-Joest-Museum soll hier eine neue Bleibe finden. Doch ob anstelle der abgerissenen Josef-Haubrich-Kunsthalle wieder eine neue Kunsthalle entsteht, ist weiter unklar. Die Stadt hat noch keine Konzept. Anders der Verein „Loch e.V.“. Er will der Stadt gleich eine „European Kunsthalle“ schenken. Für diesen Blick über den lokalen Tellerrand hat er aus eigenen Mitteln den international renommierten Ausstellungsmacher Nicolaus Schafhausen als Gründungsdirektor angestellt. Der stellte jetzt im Museum Ludwig seine Pläne vor.
Über zwei Jahre läuft der Vertrag mit Schafhausen. In dieser Zeit will er das theoretische, inhaltliche und finanzielle „Fundament“ für die European Kunsthalle schaffen. Vier Projekte sollen ihm dabei helfen. Schon im November soll das erste umgesetzt werden: ein Kongress über moderne städtische Standortpolitik und die Bedeutung von Tourismus, Religion oder Kunst. Dass künftig auch die European Kunsthalle für Kölns Stadtmarketing eine Rolle spielen soll, daran lässt Schafhausen keinen Zweifel. Für 2006 plant er eine Aktion zu Skulptur im öffentlichen Raum. Hier sollen stark frequentierte Orte in Köln genutzt werden, die eher weniger mit Kunst assoziiert werden, etwa Cafés, Kioske oder U-Bahn-Stationen. So können die sich ständig ändernden städtischen Strukturen reflektiert werden.
Das dritte Projekt ist eine Stiftungsprofessur für europäische Kunstgeschichte nach 1945 und speziell nach dem Mauerfall. „Kunst wird immer noch westzentristisch betrachtet“, so Schafhausen. Ost- oder Nordeuropa werde immer noch als Randgebiet gesehen, dies entspreche nicht mehr der neuen europäischen Kultur und Identität. Schließlich plant Schafhausen monatliche Seminare, Vorträge, Filme und Diskussionen zu aktuellen Fragen der Kunst.
Zu diesen Fragen gehört vor allem: Braucht die Kunst künftig einen „festen“ Ort wie eine Kunsthalle zur Vermittlung von Kunst? Theoretisch eher nein, argumentiert Schafhausen. Denn der heutige Kunstkonsument, so seine These, sei Teil einer mobilen Stadtgesellschaft, die nicht auf feste Orte angewiesen ist. Diese Gesellschaft werde geprägt unter anderem von Migration, Flexibilität, elektronischer Kommunikation und störungsfreier Verkehrsinfrastruktur.
Doch weil Köln ohne Kunsthalle für die Kölner vielleicht eine zu große Zumutung ist, macht er sofort ein Zugeständnis an die Realität: Köln brauche eine reale Kunsthalle zur Selbstpräsentation, hier habe Köln durch den Abriss der alten Ausstellungsstätte gegenüber Düsseldorf oder Frankfurt an Image verloren. Letztlich laufe also alles auf einen festen Bau hinaus, das sei aber „auf keinen Fall“ das neue Kulturzentrum am Neumarkt, so Schafhausen.
Ob mit oder ohne Haus – allein schon die inhaltsreichen Projekte dürften in den nächsten Jahren eine Bereicherung für das erschlaffte Kölner Kulturleben sein. Bleibt nur noch die Frage nach der Finanzierung der Aktivitäten der European Kunsthalle. „Einige Millionen“ braucht Schafhausen. Die erwartet er von der Wirtschaft. „Dort setzt man nicht mehr auf Eventsponsoring, sondern hat die Zeit erkannt und wird langfristig Bildung fördern – und Kultur ist Bildung“, gibt sich der 40-Jährige optimistisch. JÜRGEN SCHÖN