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Menü aus Häppchen

In der „Pianobar“ rückt Otto Jägersberg dem Leben zu Leibe

Von Frank Schäfer

Zweimal taucht die titelgebende „Pianobar“ auf, am Anfang und ganz am Ende dieses Romans. Sie steckt den poetologischen Rahmen ab. Früher hätten sich „Großschriftsteller“ stundenlang dort aufgehalten, dem „geschmackvollen Pianospiel“ gelauscht und geraucht, konstatiert Otto Jägersberg. „Ja, damals gab es noch Großschriftsteller mit schönen Pfeifen, die sie professionell im Mund trugen, das gehörte sich so.“

So einer kann und will der Autor ganz offensichtlich nicht sein. Er sympathisiert mit einem anderen Künstlertypus. „Er spielt so kleine Stücke, der Pianist der Pianobar, kleine melodische Häppchen, die er zu einem Menü bindet. Es hört und hört nicht auf.“

Das ist ein schönes Bild für Jägersbergs Kleinkunst, die in den letzten drei Prosabüchern immer mehr Kontur gewinnt. In Aphorismen, Tagebucheinträgen, Kürzestgeschichten und so weiter rückt er hier dem profanen Leben zu Leibe. Seriell, ungravitätisch, ohne die übergroße ästhetische Prätention der Pfeifenheinis, dafür sachgemäß und mit lakonischer Eleganz.

Ein Spruch, ein Gedanke, ein zufälliges Erlebnis, schlicht alles kann bei diesem Schriftsteller zum Anlass einer Textlette werden. Für die Musik sorgen Witz und Ironie. Die tiefere Bedeutung stellt sich beinahe von selbst ein.

Es ist erfreulich und in gewisser Weise auch beruhigend, dass ein Künstler im Alter – Otto Jägersberg ist inzwischen 79 Jahre alt – noch einmal ganz neue Saiten aufziehen kann und er damit erst richtig zu spielen beginnt. Man merkt diesen grandiosen Kleinigkeiten den Produktionsspaß an. Möglicherweise hatte er damit selbst nicht mehr gerechnet.

Otto Jägersberg: „Pianobar“. Diogenes, Zürich 2021. 272 Seiten, 24 Euro

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