: „Ich versuche, möglichst flüssig zu reden“
INNENVERTEIDIGUNG Mats Hummels wird gefeiert. Er spricht über Blockdenken im Team, seine Art, Spiele aufzuarbeiten, und darüber, warum er weder ein Fußballintellektueller noch ein Mitläufer ist
■ Das Gespräch mit Abwehrspieler Mats Hummels, 23, hat taz-Reporter Markus Völker nicht allein mit dem BVB-Profi geführt. Am Tisch saßen auch zwei Journalisten von sport1.de. Beim DFB sind meist nur sogenannte „Poolinterviews“ mit mehreren Kollegen möglich. Diese werden als Vertreter ihres Pools zu den Gesprächsrunden geschickt und versenden anschließend die Interviewtranskripte an die restlichen Poolmitglieder. Die taz hat einen Pool mit der Neuen Zürcher Zeitung gebildet. Der größte Pool besteht aus einem Zusammenschluss von 14 Regionalzeitungen. Nur wenige Medien bekommen Exklusivinterviews, wie etwa Der Spiegel, Kicker, der Stern, die FAZ und die Süddeutsche Zeitung. (taz)
POOLINTERVIEW MARKUS VÖLKER
taz: Herr Hummels, das Turnier könnte für Sie eigentlich nicht besser laufen. Sie spielen fix in der Innenverteidigung. Ihre Leistung gegen Portugal wurde hoch gelobt. Mats Hummels: Es ist alles eingetroffen, was ich mir erhofft hatte.
Das dürfte auch Jürgen Klopp freuen, Ihren Heimtrainer.
Nach jedem Spiel gibt es Kontakt. Das ist immer sehr unterhaltsam, weil er rhetorisch nicht so schlecht ist.
Sie sind ja rhetorisch auch nicht ganz unbegabt. „Die Anforderungen, um im Fußball ein Intellektueller zu sein, sind natürlich niedriger als anderswo.“ Der Satz stammt von Ihnen. Sehen Sie sich als Fußballintellektueller? Überhaupt nicht. Wenn ich meinen Freundeskreis durchgehe, dann bin ich der Einzige, der kein Abitur gemacht hat. Natürlich fußballbedingt. Aber das hätten Sie locker geschafft. Mit der richtigen Einstellung. Ich habe schon immer versucht, möglichst flüssig zu reden. Das ist der Anspruch an mich selbst. Ich sehe darin keine besondere Begabung. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich keine Nervosität verspüre, wenn ich mit den Medien rede. Das liegt wohl auch an Ihrem familiären Hintergrund. Ihre Mutter ist Sportjournalistin. Ihr Vater Jugendfußballtrainer. Was ich sage, kommentieren meine Eltern eigentlich gar nicht. Die einzige Meinung, auf die ich Wert lege, ist letztlich meine eigene. Gibt es ein Blockdenken im Nationalteam, nach dem Motto: Da ist der Bayern-Block, hier sind die BVB-Profis? Dieses Blockdenken gibt es. Meist hängt man eben mit den Leuten ab, mit denen man tagtäglich zu tun hat. Aber es ist nicht so, dass da vier verfeindete Gruppen sitzen würden. Die Alphatiere kommen aus dem Bayern-Block. Wo stehen Sie in der Hackordnung? Ich bin kein Mitläufer. Ich möchte zum Spiel etwas beitragen, offensiv und defensiv. Ich will nicht einfach nur den Ball abgeben zum Nebenmann, der nur vier Meter entfernt steht. Dass Basti, Miro und Per etwas zu sagen haben im Team, das ist klar. Aber es gibt außerhalb des Spielfelds kaum eine Situation, wo so eine Hackordnung wichtig wäre. Relevant ist, was jeder in 90 Minuten auf dem Platz zeigt. So entstehen Hierarchien. Man wird einfach mehr akzeptiert, wenn man seine Leistung bringt. Es ist mir wichtig, dass ich im Ansehen vor allem meiner Mitspieler steige. Die Öffentlichkeit ist dabei nicht so wichtig. Nicht? Nach einem kritischen Artikel im Spiegel nach dem Portugal-Spiel reagierten Sie direkt mit einem Medienboykott.
Dieser Fall war krass, weil viel falsch geschrieben wurde. Meine Mutter hat den Spiegel seit 20 Jahren im Abo. Sie hat kurz überlegt, das Abo zu kündigen. Ich fand die Berichterstattung extrem negativ vor der EM. Da wollte ich ein Zeichen setzen. Aber es gab doch Anlass zur Kritik, weil es für Sie im Nationalteam nicht gut lief. Das waren Testspiele. Wie sammeln Sie sich nach einem schlechten Spiel wieder?
Ich lese mir nach einem Spiel immer alles durch, was so geschrieben wird.
Sie durchforsten wirklich alles?
Ja, meistens. Im Hotel kann man nach dem Spiel nicht viel anderes machen als lesen und im Internet sein.
Tun Sie sich das an, um aus den Bewertungen Ihres Spiels zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen? Ich will wissen, wie das in der Öffentlichkeit gesehen wird. Zum Beispiel, ob man außerhalb Dinge wahrnimmt, die ich innerhalb des Teams wahrnehme. Oft gibt es da große Unterschiede. Wie viel vom Spiel des BVB steckt eigentlich in der Nationalelf?
Nicht viel. Ich sehe da keine großen Parallelen. Das Spiel ist anders geartet. Es ist auf viel Ballbesitz ausgerichtet, es ist ein bisschen breiter, nicht so schnell, nicht mit so viel Zug zum Tor. In Dortmund gehen wir auch etwas schneller drauf auf den Gegner, aber da wir bisher nur ein Tor bei dieser EM kassiert haben, ist das defensiv schon mal richtig gut gelaufen, trotz aller Unterschiede.