Harter Regen für Deuter

Nach Kremlologen kehren Dylanologen zurück

Geschichte wiederholt sich eben doch. Hoch im Kurs stehen zum Beispiel momentan in Kriegszeiten die lang vergessenen Kremlologen, die sich seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Sowjetologie beschäftigt hatten und jetzt mit fast schon astrologischen Analysen zum russischen Präsidenten Putin allerorten wichtige Fragen beantworten: Was passiert hinter den dicken Mauern des Kreml? Was lässt sich an der Maske Putins ablesen? Was will der Moskauer Zar mit seinem eiernden Gang verschleiern? Ferndiagnostiker aller Länder vereinigt euch! Und bald schon wird eine weitere, neualte Zunft wieder ans Werk gehen: „Musiker und Literaturnobelpreisträger Dylan bringt neues Buch heraus“, meldete gestern die Dylanologische Presse-Agentur (dpa). Demnach seien in dem am 8. November erscheinenden Band mit dem Titel „The Philosophy of Modern Song“ mehr als 60 Essays über die Kunst des Songschreibens versammelt. Ein Fest für alle Dylan-Deuter! Das erste Buch seit 2004! Deutschlands führender Dylanologe Willi Winkler leckt sich schon jetzt die Lippen, und die Süddeutsche Zeitung räumt bereits ganze Seiten im Feuilleton frei. Können Dylanologen doch über den mysteriösen Worten von Meister Bob jahrelang brüten: „It’s a hard rain’s a-gonna fall.“