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Archiv-Artikel

Lärm! Bilder! Hingehen!

Zersplitterndes Sperrholz, trötende Eimer und Klappersicheln: Die Kunsthalle zeigt den lautesten Teil des Uecker-Werkes, kombiniert mit Lothar Wollehs nicht weniger spektakulären Fotografien. Das Neue ist: Zusammen sind beide am besten

Bremen taz ■ Wenn wieder ein Zweimeterfünfzigbrett auf die Paletten knallt, kann schon mal das Goldgerahmte in den Nachbarräumen wackeln. Aber die Kunsthalle ist ja selbst Schuld, wenn sie sich Günther Uecker ins Haus holt, den Schöpfer geweißter Waldstücke, gepfählter Fernsehapparate und zahlreicher Krachmaschinen. Sein „New York Dancer“, ein benagelter Ledersack, der auf Knopfdruck rotiert, wirkt wie ein Grauen erregendes Noppenkondom. Jetzt wirbelt es derwischgleich im Sonderausstellungsbereich.

Ganz oben, unter dem Glasgiebel des John-Cage-Raums, steht der Rest des von Uecker selbst so genannten „Terrororchesters“ aus den späten 60ern. Hammer und Sichel klappern im Takt, ihr Treibriemen läuft über Lenins Mütze – eine „Kleine Revolution im Käfig“, wie Uecker titelt. Mit Anfang 20 hatte es der damalige DDR-Bürger schon zum „künstlerischen Bevollmächtigten für Parteiaufzüge“ gebracht, wenig später machte er in den Westen.

Zu Ueckers akustischem „Gesellschaftsporträt“ gehören auch metallgespickte Radios, ein Kreischfass und hupenbewehrte Blecheimer. Rostige Messer rotieren im Hamsterkäfig, eine Drahtwinde zieht Feldsteintrümmer in die Höhe – bis sie wieder der Schwerkraft gehorchen. Keine Maus hätte hier eine Chance, die umstehenden Ohren eben so wenig. Dicke rote Knöpfe laden zur ad hoc-Kombination all der attraktiven Geräusche ein.

Die Drahtseil-Galgentechnik hat es Uecker offenbar angetan: Gleich drei Lärmapparate arbeiten nach diesem Prinzip, darunter ein „Rhythmischer Hammer“. Vielleicht sollte man erwähnen, dass Uecker auch meditative Sandmühlen baut? Der Kunsthallenbesucher sieht vor allem zersplitterndes Sperrholz.

Uecker ist einer der Hochgeehrten, von Bundestag und UNO mit Aufträgen Bedachten. Lothar Wolleh hingegen, der parallel ausgestellte Fotograf, ist ziemlich vergessen. Dabei arbeiteten sie eng zusammen, auch in Bremen: Die Kunsthalle zeigt Wollehs Fotoserie von Ueckers „Leonore“-Bühnenbild am Goetheplatz.

Auch Wollehs Bilder sind durchaus spektakulär. Uecker ermunterte ihn zu Künstlerporträts, was der frühere Werbefotograf, der sechs Jahre als angeblicher West-Spion im russischen Straflager verbracht hatte, mit systematischem Eifer aufgriff. So entstanden die dick geränderten Quadrate, die zum Beispiel Uecker selbst auf den Trümmern seines Atelierhauses zeigen oder eingebettet in die Nagelbretter.

Wollehs Serie der damaligen Wirtschaftskapitäne (der BASF-Boss steht auf seinem Köfferchen, der Deutsche Bank-Chef im Tresor), galt als potentielle Abschussliste der RAF und wurde bis heute nicht veröffentlicht. Nun hängen sie – absolut sehenswert – in der Kunsthalle.

Wie auch das zusammen mit Joseph Beuys anproduzierte Unterwasserbuch, das Fragment blieb, weil die mühselig bedruckten PVC-Folien falsch beschnitten worden waren. Jetzt hat man daraus eine Loseblattsammlung gemacht. Wolleh produzierte Serien von ArbeiterInnen und religiösen Menschen, für den Papst persönlich fotografierte er unter anderem das II. Vatikanische Konzil. Das dafür angemessene Veröffentlichungsformat entsprach ganz seinen Foliantvorlieben – als Buchbeilage dient ein Klappaltar. Noch Wünsche offen? Dieser Doppelpack der Kunsthalle befriedigt wirklich alle Sinne und Bedürfnisse.

Henning Bleyl

Bis 28. August (Uecker) beziehungsweise 18. September (Wolleh). Gemeinsame Eröffnung ist am Sonntag, 11.30 Uhr