Parlamentarischer Innenausschuss: Ein ehrlich bemühter Auftritt

Bei ihrer ersten Sitzung im Innenausschuss hangelt sich Berlins neue Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Koalitionsvertrag entlang.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Januar bei der Klausurtagung des Senats

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Januar bei der Klausurtagung des Senats Foto: Annette Riedl/picture alliance

BERLIN taz | Es sei ja schön und gut, dass Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vielen Formen des Extremismus den Kampf erklärt habe, sagte Kurt Wansner (CDU) am Montag im Innenausschuss. Den Linksextremismus habe er in Sprangers Aufzählung allerdings vermisst. Apropos: Wie es der Polizistin gehe, die bei einer Demonstration von Linksradikalen an den Augen verletzt worden sei?

Same procedure as always – für Wansner gilt das zweifellos. Der 73-jährige CDU Abgeordnete ist seit Jahr und Tag Mitglied des Innenausschusses und hat nur eine einzige politische Agenda: im Zweifel gegen links. Ein Blick ins Rund bei der ersten regulären Sitzung am Montag zeigte indes: Es gibt viele neue Gesichter. Mit Iris Spranger (SPD) hat Berlin erstmals eine Innensenatorin und auch der Innenausschuss selbst wird mit Gollaleh Ahmadi erstmals von einer Frau geleitet. Die Grüne folgt auf Peter Trapp (CDU), der 22 Jahre Vorsitzender war.

Ahmadi hat sich dabei mit Bravour geschlagen. Freundlich, aber entschieden moderierte sie die Sitzung und schaffte, was Trapp selten geschafft hat: pünktlich Schluss zu machen. Spranger wirkte freundlich und ehrlich bemüht, aber um diese Funktion auszufüllen, muss mehr kommen. Sonst bleibt sie eine Vorzeige-Innensenatorin, stets angewiesen auf ihre starken Buddys im Hintergrund. Allen voran Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD), dem manche nachsagen, der heimliche Innensenator zu sein, und Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

Mehr Bodycams kommen

Die Polizei kann mehr Leute einstellen, als im Haushaltsentwurf vorgesehen ist. Konkrete Zahlen konnte die Innensenatorin Spranger wegen der laufenden Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2022/2023 aber noch nicht nennen. Bisher war geplant, dass es bis 2024 rund 18.900 Polizisten gibt – das wären dann einige hundert mehr als derzeit. Bis zum Jahr 2030 sollen es 20.000 Berliner Polizisten sein.

Ausgebaut werden sollen auch die Fahrradstaffeln innerhalb des S-Bahn-Rings von rund 50 auf 100 und ebenfalls in den äußeren Stadtteilen. Insgesamt sollen in Zukunft 300 Polizisten auf Rädern unterwegs sein. Die Zahl der Bodycams an Polizeiuniformen soll von 30 auf 300 erhöht werden.

Am Kottbusser Tor sind eine Polizeiwache und Videoüberwachung geplant. (dpa)

Eine Aussprache über die Regierungsvorhaben stand auf der Tagesordnung. Als sie das Programm vorstellte, konzentrierte sich Spranger auf einzelne Punkte: eine Verdreifachung der Fahrradstreifen; insgesamt sollen in den nächsten Jahren rund 300 Polizisten im gesamten Stadtgebiet auf Rädern unterwegs sein. Der Einsatz der Bodycams für Polizei und Feuerwehr soll von jetzt 30 auf bis zu 300 Kameras ausgeweitet werden. Des weiteren: Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten, bauliche Sanierung von Polizeiabschnitten, Festschreibung des Verbots von Racial Profiling im Allgemeinen Sicherheits- und Ordungsgesetz (ASOG), das Ausstellen von Kontrollquittungen.

Spranger war früher baupolitische Sprecherin der SPD. Für eine, die nicht vom Fach ist, hörte sich ihr Vortrag ziemlich professionell an – nur dass die Innensenatorin gleich zweimal hintereinander den Begriff „ethisches Profiling“ verwendet. Wahrscheinlich war ethnisches Profiling gemeint.

Die Opposition, mit teilweise neuen Sprechern selbst noch nicht ganz sattelfest, war gnädig. Eine „sehr blumige Ansage“ nannte Björn Jotzo Sprangers Aussage, wegen der ausstehenden Haushaltsberatungen noch keine klaren Zahlen für den Personalaufwuchs bei der Polizei nennen zu können. Auch auf einen möglichen Fauxpas erlaube er sich hinzuweisen, sagte Jotzo. Beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) wird seit geraumer Zeit verstärkt eine kryptisierte Telefonkommunikation im Bereich der Organisierten Kriminalität ausgewertet, bekannt unter dem Begriff EncroChat.

Entschlüsselungs-Plattform für das LKA

Spranger hatte angekündigt, das LKA erhalte zur Entschlüsselung der Kommunikation eine neue Plattform, mit der Berlin europaweit führend sei. Denn: „mehr als 1,64 Gigabyte Material mit ausschließlich kriminellen Inhalten“ würden im LKA bearbeitet. Ob sie sich da nicht in der Größenordnung vergriffen und 1,64 Gigabyte pro Fall gemeint habe, fragte Jotzo.

Auch der Linken-Politiker Ferat Koçak gehört zu den neuen Gesichtern im Innenausschuss. Koçak ist selbst einer der Betroffenen der rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln. Die Spitzen seines schwarzen Bartes hat er inzwischen feuerrot eingefärbt. Seine Aufgabe sehe er darin, über den Tellerrand zu gucken und die persönliche antirassistische Perspektive einzubrigen, sagte er am Montag.

Auch Vasili Franco (Grüne) ist neu. In einer Rede, die er vom Blatt ablas und die etwas länglich geriet, referierte er mit glühenden Wangen die ihm wichtigsten Koalitionsvorhaben. Die neu geschaffene Stelle des unabhängigen Polizei- und Bürgerbeauftragten werde „zeitnah“ besetzt. Franco endete damit, dass er dem organisierten Fahrraddiebstahl den Kampf ansagte und dann den Autorasern. Die Zahl der Blitzer werde auf 60 Stück verdoppelt.

Die Rollen zwischen Spranger, Innenstaatssekretär Akmann und Polizeipräsidentin Slowik waren klar verteilt. Spranger übernahm den einführenden, teilweise auch gefühligen Part. Betont sprach sie „von meiner Polizei, meiner Feuerwehr, von „meinen Einsatzkräften“ und wedelte zur Betonung mit beiden rotlackierten Zeigefingern gleichzeitig. Auch das machte sie klar: „Ich stehe gegen jegliche Art von Gewalt und stelle mich auch ganz klar gegen Linksextremismus.“

Akmann und Slowik lieferten Fakten. Von 116 festgesetzten Drogenhändlern im Görlitzer Park seien 35 inzwischen abgeschoben worden, berichtete der Staatssekretär unter anderem. Die Polizeipräsidentin beantworte später auch die Eingangsfrage von Kurt Wansner: Die am Augenlicht verletzte Kollegin sei in Wirklichkeit ein Kollege. Der Vorfall habe sich nach der Räumung der Szenekneipe Syndikat ereignet. Nach einer Notoperation gehe es ihm so weit gut.

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