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Archiv-Artikel

Auf der Suche nach dem Schuldigen

ABGANG In Polen tobt eine Debatte über Konsequenzen. Kritiker des Verbandspräsidenten Grzegorz Lato fordern dessen Rücktritt – auch die Sportministerin

Als zweitprominentester Kritiker des Verbandsbosses hat sich pikanterweise der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft, Kuba Blaszczykowski, hervorgetan

WARSCHAU taz | Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg – beim Fußball – in der Regel nur einen: den Trainer. Die in der EM-Vorrunde 2012 gescheiterten großkopferten Fußballnationen gehen mit ihrem Misserfolg recht verschieden um. Während die zunächst hoch gehandelten und am Ende tief gefallenen Russen den klassischen Schlussstrich in der Trainerfrage ziehen, halten die total erfolglosen Niederländer erst mal an Bondscoach Bert van Marwijk fest.

Die Polen gehen mit dem Vorrundenaus so um, wie sie gespielt haben: viele Ansätze, aber letztlich unentschlossen. Hatte Nationaltrainer Franciszek Smuda nach der 0:1-Niederlage gegen Tschechien erklärt, dass sein Weg mit der „Reprezentacja“ zu Ende sei, relativierte Verbandspräsident Grzegorz Lato dies mit seiner Ankündigung auf Radio RMF, nun mit Smuda in Verhandlungen über dessen zukünftige Rolle zu treten. Lato seinerseits ist jedoch sehr umstritten, die Forderungen nach seinem Rücktritt sind wesentlich lauter als die Anwürfe gegen den Trainer.

Die prominenteste Gegnerin Latos ist niemand Geringeres als Sportministerin Joanna Mucha, die bei einer Pressekonferenz erklärte, Lato habe mit ihr vor der EM seinen Rücktritt für den Fall eines frühen Ausscheidens des polnischen Teams vereinbart. „Und nun werde ich Herrn Lato beim Wort nehmen“, verkündete Mucha. Sie macht seit ihrer Amtsübernahme im Herbst 2011 kein Hehl daraus, dass sie in Lato ein Haupthindernis für dringende Reformen im krisengeschüttelten polnischen Fußball sieht.

Als zweitprominentester Kritiker des Verbandsbosses hat sich pikanterweise der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft, Kuba Blaszczykowski, hervorgetan. In einer impulsiven Tirade kurz nach dem Gruppen-Aus gegen Tschechien konstatierte er ein schlechtes Verhältnis zwischen Lato und der Mannschaft. Wiederholt habe Lato Absprachen nicht eingehalten, zudem hätten die Spieler in entwürdigender Weise um Eintrittskarten für ihre Familien betteln müssen. „Mit dem Mann kann man schwer etwas aufbauen“, so Kubas vernichtendes Fazit.

Für Dienstag hatte der polnische Fußballverband PZPN daraufhin kurzfristig zur Pressekonferenz geladen und die Medienvertreter erhofften sich Aufklärung über die personellen Konsequenzen aus der sportlichen Misere. Es stellte sich jedoch heraus, dass Lato diese Pressekonferenz vor allem nutze, um sich in der „Ticketaffäre“ zu rechtfertigen. Penibel listete er auf, wie viele Karten die Spieler für jedes Spiel erhalten hätten und welche Möglichkeiten es gegeben habe, an weitere zu kommen.

Fragen nach seinem Verbleib im Amt beantwortete Lato mit dem Hinweis auf die turnusmäßigen Wahlen im Oktober, beschwichtigte weitere Nachfragen dann aber mit dem Argument, nun erst mal die EM in Würde zu Ende organisieren zu müssen. Nach dem 1. Juli könne man über alles reden. Somit ist nichts klar, außer das alle Debatten heftig weitergehen werden. ULI RÄTHER