: Neonazis hetzen gegen Michel Friedmann
NPD und andere Neonazis mobilisieren nach Wattenscheid. Ziel ist eine Veranstaltung mit dem ehemaligen Vize-Präsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann. Der Bochumer Vorort gilt als Hochburg der rechten Szene
BOCHUM taz ■ Der Bochumer Stadtteil Wattenscheid wird morgen zum wiederholten Male Treffpunkt der rechten Szene des Ruhrgebiets. NPD und neonazistische freie Kameradschaften, wie der „Nationale Widerstand Dortmund“ um den mehrfach vorbestraften Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt mobilisieren zu einem Aufmarsch ins Wattenscheider Zentrum. Das seltsame Motto der Kundgebung: „Gegen Drogen und Prostitution – Friedmann keine Plattform geben“. Ziel der Agitation ist der ehemalige Vizevorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedmann. Die Bochumer Polizei rechnet mit 100 Teilnehmern.
Friedmann kommt nach Bochum, um unter dem Motto „Freiheit ist mehr als nur ein Wort“, die mehrteilige Veranstaltungsreihe „Jüdisches Leben in Deutschland“ abzuschließen. Die wurde vom Institut für Ausbildung in bildender Kunst und Kunsttherapie (IBKK) organisiert. Wegen des angekündigten Naziaufmarsches, sah sich das IBKK nicht mehr in der Lage, die Abschlussveranstaltung durchzuführen. „Wir sind Künstler und haben mit Politik nichts zu tun“, sagte IBKK-Direktorin Monika Wrobel-Schwarz, man könne angesichts der zu erwartenden Auseinandersetzung keine „Verantwortung mehr übernehmen“.
Neuer Veranstalter ist ein „breites demokratisches Bündnis“ der Stadt Bochum mit der evangelischen Stadtakademie, dem Bochumer Kulturrat und dem Freundeskreis Bochumer Synagoge. „Wir werden uns dieser radikalen Minderheit nicht beugen“, sagte der Bochumer Kulturdezernent Hans-Georg Küppers. Die Veranstaltung musste aufgrund der großen Nachfrage in die ehemalige Lohnhalle der Zeche Holland verlegt werden. Nach Angaben des Stadt-Sprechers Thomas Sprenger lägen bereits 200 Anmeldungen vor.
Wattenscheid ist dabei nicht zum ersten mal im Fokus der rechten Szene. Die rechtsextreme NPD hat hier ihre Landeszentrale. Mit dem vorbestraften Claus Cremer sitzt ein Vertreter der NPD in der Wattenscheider Bezirksvertretung. Außerdem hat hier auch das rechtsextreme und NPD-nahe Internetportal „Freiheit Wattenscheid“ seinen Sitz. Mit der Agitation gegen Michel Friedmann versuchen die NPD und weitere Neonazis aus der Region nun an vergangene Aktionen anzuknüpfen.
Für den 9. November 2004 war eine Gedenkveranstaltung zum einseitigen „Gedenken der deutschen Maueropfer“ angedacht. Das Bochumer Polizeipräsidium konnte jedoch ein Verbot durchsetzen. Am Volkstrauertag des selben Jahres sangen 20 Neonazis am Wattenscheider Ehrenmal alle drei Strophen des Deutschlandliedes und trugen rechtsextreme Gedichte vor. Den Zugang zum Ehrenmal hatten sie sich über NPD-Bezirksvertreter Claus Cremer besorgt. „Cremer war schon in der Vergangenheit der Verbindungsmann zur offenen Neonazi-Szene“, sagte Leo Heitfeld vom Bochumer Staatsschutz. Auch bei den antisemitischen Demonstrationen gegen den Neubau der Synagoge Bochum spielte Cremer eine entscheidende Rolle. Cremer hatte auf der Demo Menschen jüdischen Glaubens bezichtigt, sexuellen Missbrauch von Kindern zu billigen. Das Bochumer Landgericht verurteilte ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung.
Auch die für Mittwoch angekündigte Kundgebung hat einen antisemitischen Hintergrund. Friedmann wird als „Stellvertreter eines Volkes“ dargestellt, „welches es mit der Freiheit der Palästinenser“ nicht gerade ernst meine. Der deutsche Staatsbürger Michel Friedmann wurde im Aufruf zur Neonazi-Kundgebung mal eben nach Israel ausgebürgert. HOLGER PAULER