: Ein Grammy, viele Drohungen
Wer kämpft wofür?
Es waren Bilder, die die kubanische Regierung unbedingt verhindern wollte: Am 11. Juli gingen in vielen Städten Kubas Tausende Menschen auf die Straße. Unorganisiert, ohne klare Führung einer politischen Organisation oder gar Partei. Der einzige Slogan, auf den sich alle einigen konnten: „Freiheit“.
Die Proteste wurden schnell niedergeschlagen, Hunderte wurden festgenommen, viele davon sitzen bis heute in Haft, manche mit, manche ohne Anklage oder Prozess, darunter auch Minderjährige, denen vorgeworfen wird, die Proteste mit ihren Handys gefilmt und auf sozialen Medien veröffentlicht zu haben. Die Regierung unter Präsident Miguel Díaz-Canel konnte gar nicht schnell genug betonen, dass die Proteste von außen gesteuert seien.
Vorausgegangen waren schon Ende des Vorjahres Demonstrationen der Künstler*innengruppe Movimiento San Isidro, die sich sowohl für die Freilassung inhaftierter Kolleg*innen einsetzten als auch gegen ein neues Gesetz protestierten, das zu Recht als massive Einschränkung der Kunstfreiheit begriffen wurde. Ein zunächst von der Regierung angebotener Dialog mit Künstler*innen, die am 27. November vor den Sitz des Kulturministeriums gezogen waren, endete mit Einschüchterung und Überwachung.
Welche Rückschläge gab es?
Auf den 11. Juli folgten nicht nur Inhaftierungen, Ausbürgerungen und willkürliche Kurzzeitfestnahmen von Andersdenkenden. Unabhängige Journalist*innen und Mitglieder des Movimiento San Isidro erhielten eine Vorladung zum Verhör, Polizeiautos standen permanent vor ihrer Tür, viele durften weder Besuch empfangen noch die Wohnung verlassen, nicht einmal zum Einkaufen.
Und die staatlich kontrollierten Medien begannen eine beispiellose Diffamierungskampagne. Ausschnitte aus Videos der kubanischen Stasi von Verhören mit unabhängigen Journalist*innen wurden – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – im Fernsehen gezeigt. Die Botschaft sollte sein: Lass dich mit diesen Leuten ein, und wir werden dich genauso behandeln.
Wie geht es weiter?
Der 11. Juli blieb zunächst ohne Anknüpfungspunkte. Das sollte sich mit einer „friedlichen Demonstration für den Wandel“ und für die Freilassung aller politischen Gefangenen ändern, zu der die Künstler*innengruppe Archipiélago für Mitte November aufrief. Ihr bekanntestes Gesicht wurde der Dramatiker Yunior García Aguilera. Die Gruppe hatte sogar versucht, unter Berufung auf das in Kubas Verfassung garantierte Versammlungsrecht die Demonstrationen anzumelden – natürlich wurden sie verboten. Die Staatssicherheit mobilisierte, was sie nur konnte, vor den Wohnungen von Oppositionellen fanden sich organisierte Parteigruppen ein, verkauft als „empörte Bevölkerung“. Am Ende fand keine Demonstration statt. García Aguilera verließ Kuba Richtung Spanien.
Dass die Protesthymne „Patria y Vida“ zwar im November in den USA die Latin Grammys gewann, Songwriter Maykel „Osorbo“ aber in Kuba im Gefängnis sitzt und von Amnesty International als politischer Gefangener geführt wird, symbolisiert die Lage. Viele Gründer*innen der unabhängigen Medien haben die Insel längst verlassen, weil sie dem permanenten Druck nicht mehr standhalten konnten. Das wiederum führt zu Verratsdebatten innerhalb der dissidenten Bewegungen – auch ein willkommener Effekt der Stasi-Aktivitäten.
Bernd Pickert
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