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Aus für „Stand News“ nach Razzia in Hongkong

Erneut ist in Hongkong ein prodemokratisches Medium ins Visier geraten. Nachder Festnahme von sechs Journalisten muss die Publikation ihre Arbeit einstellen

Von Fabian Kretschmer, Peking

Am Vorabend feierte Ronson Chan noch das 53-jährige Jubiläum der Hongkonger Journalistenvereinigung. „Pressefreiheit ist das Rückgrat für Hongkongs Erfolg“, sagte Chan, der der Organisation vorsteht. Dann fügte er geradezu prophetische Worte an: „Trotz des Unbekannten, das vor uns liegt, werden wir nicht auf die Knie gehen.“ Wenige Stunden später drangen am Mittwochmorgen mehr als 200 Polizisten ins Redaktionsgebäude der prodemokratischen Publikation Stand News ein. Bei der Razzia führten sie sieben Personen ab, darunter auch den leitenden Redakteur Ronson Chan.

Für besondere Bestürzung sorgte die Verhaftung der 44-jährigen Denise Ho, die als Popsängerin eine gewisse Berühmtheit erreichte und sich zuletzt für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft einsetzte. Der chinesischen Regierung war die offene Kritikerin schon länger ein Dorn im Auge: Während 2019 die Demokratiebewegung auf die Straßen ging, hat sie bei einer Anhörung im Washingtoner Kapitol über die Brutalität der Hongkonger Polizei ausgesagt.

Umgehend nach der Verhaftungswelle gab das 2014 gegründete, gemeinnützige Medium seine Auflösung bekannt – nicht zuletzt, weil die Behörden sämtliche Vermögenswerte beschlagnahmt hatten. Alle Journalisten der Publikation haben damit ihren Lebensunterhalt verloren – und auch ihre Arbeit der letzten Jahre: Die Online-Inhalte von Stand News werden aus dem Netz gelöscht. Die Behörden werfen der Publikation „Aufruhr“ vor: Die Redaktion hätte Artikel veröffentlicht, die Hass gegen die Regierung und Justiz schüren würden. Als Beispiel wurden Texte zitiert, in denen die Autoren zu Sanktionen gegen China aufgerufen hätten.

Seit Peking der einstigen britischen Kronkolonie ein nationales Sicherheitsgesetz aufgezwungen hat, sind die zivilgesellschaftlichen Freiheiten in Hongkong erodiert. Ob pro­demokratische Aktivisten, oppositionelle Politiker oder kritische Journalisten: Sie haben sich fast alle ins Ausland abgesetzt, ins Private zurückgezogen oder wurden verhaftet. Viele internationale Nachrichtenredaktionen haben ihre Asien-Zentrale aus Hongkong abgezogen, darunter die New York Times.

Kritik an China: Baerbock reist nicht zu Olympia

Bundesregierung Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Peking reisen. Derartige Olympia-Besuche von Außenministern seien auch bislang nicht üblich gewesen, verlautete am Mittwoch aus dem Auswärtigen Amt. Ministerin Baerbock vertritt in Menschenrechtsfragen eine härtere Gangart gegen China als die vorherige Bundesregierung. Auch die für Sport zuständige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) werde nicht anreisen.

International Die USA, Australien, Großbritannien und Kanada hatten bereits einen diplomatischen Boykott der Spiele im Februar angekündigt. Das bedeutet, dass Athleten aus diesen Ländern zwar teilnehmen, aber keine Politiker anreisen werden. Die EU diskutiert noch über ein gemeinsames Vorgehen. Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat erklärt, dass er einen Boykott für wenig effektiv halte. (afp)

Die Schließung von Stand News ist nur die neueste Folge einer seit Monaten anhaltenden Serie an Razzien und Verhaftungen. Erst im Juni war die ebenfalls prodemokratische Zeitung Apple Daily eingestellt worden, auch damals ging es um Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz. Der 74-jährige Gründer Jimmy Lai, einst als Arbeitsmigrant von China nach Hongkong geflüchtet, sitzt nach wie vor im Gefängnis.

Im Gegensatz zu seinen sechs Kollegen wurde Redakteur Ronsoon Chan nach seinem Polizeiverhör wieder freigelassen. In seiner Wohnung sagte er in einer ersten Stellungnahme. „Stand News hat stets professionell Nachrichten berichtet, das steht außer jedem Zweifel und jeder weiß das.“ Doch in den Augen der chinesischen Regierung ist allein das ein schwerwiegendes Verbrechen.

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