piwik no script img

Archiv-Artikel

Zu jung für einen Gewissenskonflikt

RELIGION Weil sie erst neun ist, muss eine muslimische Schülerin mit Jungs schwimmen

Von MNZ

Muslimische Schülerinnen haben erst nach Beginn ihrer Pubertät – mindestens aber, wenn sie zwölf sind – Anspruch darauf, bei Gewissenskonflikten von gemeinsamen Sportstunden mit Jungen befreit zu werden. Das stellte jetzt das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) klar. Es wies damit die Klage eines Elternpaares ab, die ihre neunjährige Tochter vom koedukativen Schwimmunterricht befreien lassen wollten (Aktenzeichen 1 B 99/12). Bereits das Verwaltungsgericht hatte so entschieden.

Die Eltern wollten die Drittklässlerin, unter Berufung auf islamische Kleidungsvorschriften, lediglich am sonstigen Sportunterricht teilnehmen lassen – in weit geschnittener Kleidung. Die Grundschule lehnte eine Befreiung vom Schwimmen aus religiösen Gründen in der Primarstufe generell ab. Die Schülerin könne ja einen Ganzkörperschwimmanzug tragen, hieß es. Dadurch könne der Konflikt „in angemessener Weise“ gelöst werden, so das OVG. Das würde zu einer Stigmatisierung führen, erwiderten die klagenden Eltern.

Es kommt auf das Alter an, sagen die RichterInnen. Die Annahme, die Teilnahme am gemischtgeschlechtlichen Sportunterricht könne eine Neunjährige in einen Gewissenskonflikt stürzen, „liegt eher fern“, heißt es in dem Urteil. „Dazu fehlt es ihr altersbedingt – noch – an der religiösen Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit.“

Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits 1993 entschieden, dass muslimische Mädchen einen Anspruch haben, vom koedukativen Sportunterricht befreit zu werden, wenn sie einen konkreten Gewissenskonflikt darlegen. Die Schülerinnen in jenem Verfahren waren aber bereits zwölf Jahre alt, also religionsmündig.

Ein Sprecher des türkisch-islamischen Dachverbandes Ditib sagte, solange die Pubertät nicht erreicht sei, könne eine Schülerin prinzipiell auch am gemeinsamen Schwimmunterricht teilnehmen. Wann das der Fall sei, sei jedoch von Land zu Land verschieden. Es komme aber weniger auf die Auslegung des Koran an als auf die Familie.  MNZ