Lächeln, bis der Kiefer schmerzt

Feminismus light: Uraufführung „In letzter Zeit Wut“ von Gerhild Steinbuch am Schauspiel Frankfurt

Von Katrin Ullmann

„Aber bitte, bitte nicht den guten Gummibaum“, ruft ihre Kollegin Ellen noch. Doch da ist es schon zu spät. Regan kotzt mitten hinein in die Pflanze. Sie würgt und kotzt vor Wut. Denn die Sache mit der Wut ist schließlich Programm. „In letzter Zeit Wut“, so heißt das jüngste Stück von Gerhild Steinbuch. Als Überschreibung von Aristophanes’ Komödie „Die Frauenvolksversammlung“ und als Auftragswerk für das Schauspiel Frankfurt entstanden, erzählt die österreichischen Dramatikerin darin vom Leben, Alltag und vor allem aber von der Wut vierer Kolleginnen, sogenannter Content-Moderato­rinnen.

Diese überprüfen User-Posts auf Social-Media-Portalen, sperren oder löschen etwa: „Ein Katzenbaby wird mit kochendem Wasser übergossen“ und so weiter. Die Arbeit dieser „Cleaner“ der digitalen Müllhalden ist meist prekär. Und vermutlich zum Kotzen.

Doch in Steinbuchs Text ist diese moderne Arbeitswelt mehr Folie als der wirkliche Grund fürs Würgen. Regan McNeils Wut ist größer und universeller. Sie – Tanja Merlin Graf spielt ihre Figur mit wunderbarer Hartnäckigkeit – ist wütend auf die gesamte männlich dominierte Welt, genauso wie ihre Kolleginnen (individuell charakterisiert von Sarah Grunert, Katharina Linder und Melanie Straub). Zielscheibe ihres kollektiven Hasses ist der Chef, ein gewisser Horst (Isaak Dentler), der immer wieder selbstverliebt und dauerfröhlich um sein Team kreist.

Mit süffisantem Lächeln erzählt er von seinen vermeintlichen Vorlieben für flache Hierarchien, von seinem gelebten Feminismus „Supporting your local women since immer“ und vor allem von seinem Stolz auf die erfolgversprechende Produktivität seiner Firma. „Nice“ heißt diese, so steht es auf seinem pissgelben Sweater und auch auf den Basecaps, die Horst den vier Frauen maximal lieblos als Team-Building-Maßnahme zuwirft.

Natürlich prallen an diesem selbstgefälligen Typen sämtliche Rufe nach Gehaltserhöhung, Betriebsrat und Sozialversicherung ab. Also gruppieren sich – künstlich lächelnd bis der Kiefer schmerzt und „damit die Szene schneller vorbei ist“ – die vier Frauen tapfer für ein paar Teamfotos um ihn herum. Und machen dann weiter wie bisher.

Ironisch, fast karikierend, zeichnet die Regisseurin Christina Tscharyiski Steinbuchs Figuren. Im schnellen Wechsel lässt sie sie einzeln sprechen und chorisch und lässt sie persiflierend als Senior Manager auftreten und mit ein paar Führungsetagenphrasen um sich werfen. Sarah Sassen hat dafür ein auf die griechische Textvorlage verweisendes Amphitheater entworfen. Hier reden die Schau­spie­le­r*in­nen und wippen auf ergonomischen Bürostühlen „Immer vor und zurück dass es quietscht aber so richtig“, heißt es dazu im Text. Tanja Merlin Graf nimmt die Sache wörtlich und wippt sich, eine kleine Ewigkeit lang herrlich nervig fiepsend, ihre Unzufriedenheit aus dem Leib.

Träume vom platzenden Ballonhorst

Auf ungefähr halber Strecke erhalten die vier eine smarte Uhr – mitsamt der Erklär-KI Sean Keller (Uwe Zenwer) – und damit die Möglichkeit, die Geschichte neu zu schreiben. Reboot! Aber wie war noch mal die Utopie? Mit Speeren und Brustpanzern bewaffnet träumt das Frauenquartett von Sklaven, Neuamazonien und von Solidarität, vor allem aber von einem platzenden Ballonhorst – und zerstreitet sich schließlich darüber, wer den Dreck wegmacht. Steinbuchs Figuren diskutieren sich so beflissen wie statisch durch die Frauenbewegung und bleiben in ihrer Wut immer wieder bei jenem „Vollhorst“ stecken, der doch nur lächerliches, männliches Füll­material im mittleren Führungssegment ist.

In diesen Texttiraden ver­puffen Sätze wie „Wir glauben nicht an die Kraft der Geschichten – Wir glauben an unsere Kraft“, ertrinken feministische Anliegen in Wortwasserfällen. Mit einem guten Ensemble, Witz, Humor und Nebel ist dieser muntere Abend am Ende nicht mehr als Horsts Firmenname: „nice“.