„Bestseller über das Elend“

LESUNG Heiner Boehncke auf der Spur von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

■ 67, Rundfunk-Redakteur. Zusammen mit Hans Sarkowicz schrieb er zuletzt eine Grimmelshausen-Biografie.

taz: Der Simplizissimus ist für viele ein Schrecken aus dem Deutsch-Unterricht.

Heiner Boehncke: Grimmelshausen ist der der einzige Autor aus dem 17. Jahrhundert, der heute noch mit Gewinn und Vergnügen gelesen wird. Das liegt daran, dass er vor allem über den 30-jährigen Krieg ein Bild vermittelt und Kenntnisse, die nach wie vor gültig sind. Über das Elend dieses Krieges wird nirgends so eindrücklich beschrieben.

Grimmelshausen war kein gebildeter Literat.

Er hat etwas Volksschule genossen und wurde dann in den Krieg entführt. Er war jemand, der durch leidenschaftliches Lesen zu einem großen Schriftsteller geworden ist. Er war ein Bäckerjunge.

Er hat nicht auf Latein geschrieben?

Er konnte praktisch kein Latein. Er hat auf hochdeutsch geschrieben mit vielen mundartlichen Einsprengseln, da finden sich viele hessische Brocken, auch alemannische. Er konnte gesprochene Sprache so aufnehmen, dass das auch heute noch lebendig klingt.

Eure Biografie erklärt, wie er das lernte?

Dass Grimmelshausen ein hoch begabtes Bürschchen war, das merkt man daran, dass er bereits im Alter von 17 Jahren angefangen hat, am Simplizissimus zu arbeiten, mitten im Krieg. Inzwischen gibt es alle drei Bände, von Roland Kaiser ins Deutsch unserer Tage gebracht. Wir haben einen Stiefgroßvater entdeckt, der Verleger und Buchhändler in Frankfurt gewesen ist. Der hat Bücher verlegt, in denen sich vieles findet, was Grimmelshausen offenbar verarbeitet hat.

Ist der Simplizissimus damals gedruckt wurden?

Es war ein Bestseller, weil er realistisch und gegen den Krieg und gegen die Herrschaften schrieb, wie es damals nicht üblich war. INTERVIEW: KAWE

Lesung: 20 Uhr, Gästehaus der Uni, Teerhof