GUITAR WOLF : Mehr Schweiß
Männer mit langen Koteletten plus Undercut. Männer mit Jack-Daniels-T-Shirt. Männer mit Murat-Kurnaz-Bart zur Glatze. Männer mit Tollen. Vor allem und überhaupt: Männer. Meine Freundin und ich waren zwei von vielleicht 20 Frauen beim Konzert des japanischen Noise-Rockabilly-Trios Guitar Wolf. Im Roten Salon, Samstagnacht.
Also mal ehrlich. Wenn ich nicht schon einen sehnigen Mann zuhause im Bett liegen gehabt hätte. Und wenn ich nicht meine Tage gehabt hätte. Und wenn das Groupietum nicht schon erfunden gewesen wäre. Ich hätte es an diesem Abend erfinden müssen. Ich weiß nicht, woher dieses Bedürfnis kam, ihnen den Schweiß abzulecken. Und es wäre mir sogar ganz egal gewesen, wem: Drumwolf, Basswolf, Guitar Wolf.
Stellen Sie sich drei sehr sehnige und schlaksige japanische Männer mit glatter Haut vor, die zwei Stunden lang ohne Atempause auf Gitarren- bzw. Basssaiten eindreschen, Mikroständer umtreten, sich am Boden wälzen, in die Luft springen und zwischendrin irgendwas ins Mikrofon brüllen. „Baby“, und „let’s Rock and Roll!“, oder so. Dazu stellen Sie sich bitte Schweißtropfen vor. Aber bitte nicht bei den Männern im Moshpit, sondern bei der Band. Also: jede Menge fliegende Schweißtropfen. Auf Lederhosen, in Haaren, auf Gesichtern, auf dunklen Sonnenbrillen. Äh, ja: Leder. Hose, Jacke. Volle Montur. Das sieht natürlich nur bei sehnigen Japanern gut aus.
Am Schluss, bei vollem Saal-Licht, zum Marschbefehl von Bass und Schlagzeug, gab es dann die menschliche Pyramide. Neun haarige, bleiche Berliner Männer ließen sich bereitwillig im Vierfüßler auf der Bühne aufbauen, um Guitar Wolf Seiji auf sich klettern zu lassen. Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, diese Sehnsucht nach seinem Schweiß war an diesem Abend nicht bloß meine.KIRSTEN REINHARDT