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Archiv-Artikel

„Ich trete wieder an“

Trotz der massiven Kritik an seinem Vergleich von Bundestag und Volkskammer will der Grüne Werner Schulz in Pankow ein Direktmandat erkämpfen – notfalls ohne die Hilfe des Landesverbands

INTERVIEW MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Schulz, wie wichtig sind Sie den Grünen noch?

Werner Schulz: Wie meinen Sie das denn?

Seit Ihrer persönlichen Erklärung zu Schröders Vertrauensfrage lassen viele Grünen kein gutes Haar mehr an Ihnen. Auch Ihre Listenplatzkandidatur ging daneben. War’s das für Sie nach 15 Jahren Bundestag?

Keineswegs. Vor allem aus meinem Pankower Kreisverband habe ich massive Unterstützung erfahren – gerade nach der Rede am Freitag. Vielen habe ich aus dem Herzen gesprochen. Die können nicht verstehen, dass jemand wie ich nicht mehr im Bundestag mitmischt. Dieser Verantwortung muss ich mich stellen.

Sie treten also als Direktkandidat in Pankow an?

Ich trete wieder an.

Haben Sie dafür überhaupt noch Rückhalt in Ihrem Landesverband?

Mir geht’s da ähnlich wie Christian Ströbele im Jahr 2002. Der kam damals auch nicht auf die Landesliste und dachte: Jetzt bin ich noch motivierter, das Direktmandat zu erkämpfen. Es sind nicht alle Chancen vertan.

Chancen? Ihr SPD-Gegenkandidat heißt immerhin Wolfgang Thierse.

Wolfgang Thierse hat den Wahlkreis auch zweimal – 1994 und 1998 – nicht gewonnen. Und 2002 hat er es nur mit unserer massiven Unterstützung geschafft. Damals haben wir beide einen rot-grünen Richtungswahlkampf geführt: Erststimme SPD, Zweitstimme Grüne. Diesmal treten wir Bündnisgrünen selbstständig an.

Alle Augen richten sich deshalb auf Sie. Ihr Vergleich von Bundestag und DDR-Volkskammer wird Ihnen da kaum helfen.

Da müssen wir zwei Ebenen auseinander halten. Die Reaktionen von der Basis, von Kreisverbänden im ganzen Land, sind positiv. Viele sagen mir: Endlich hat wenigstens ein Grüner benannt, was für eine Farce bei der Vertrauensfrage im Bundestag abgelaufen ist.

Ihre Bundestagsfraktion redet anders.

Da zeigt sich das persönliche Unbehagen vieler Abgeordneter, das sich an mir abreagiert hat. Außerdem: Ich habe Bundestag und Volkskammer ja nicht miteinander verglichen. Mancher hat beim Begriff „Volkskammer“ nur seine eigenen Vorurteile gehört und einen Vorwand gesucht, um sein schlechtes Gewissen abzuarbeiten.

War das verbale Geschütz „Volkskammer“ nicht viel zu groß für Ihre Attacke auf Gerhard Schröders Vertrauensfrage?

Ich habe am Freitag gesagt: Wir sollten uns hüten, ein Stück Volkskammer aufzuführen. Mich hatte besonders geärgert, dass Franz Müntefering die Abgeordneten „eingeladen“ hat, sich der Stimme zu enthalten – und das sagt ausgerechnet der SPD-Fraktionsvorsitzende, der sonst für die Mehrheitsbeschaffung zuständig ist. Genauso war es auch im gespielten Parlament, der Volkskammer. Dort wurden die Blockparteien von der SED „eingeladen“, sich dem Willen von Partei- und Staatsführung anzuschließen.

Trotzdem: Sie mussten damit rechnen, dass kaum jemand Ihrer feinen Unterscheidung folgt.

Ich habe gelernt, dass Übertreiben anschaulich macht. Mit dem drastischen Begriff „Volkskammer“ wollte ich ja zu einer weiteren Diskussion herausfordern. Nämlich darüber, in welchem Zustand unsere parlamentarische Demokratie ist. Übrigens: Aus Ostdeutschland höre ich so gut wie keine Kritik an dieser Anspielung, sondern fast ausschließlich aus dem Westen. Wir haben ein gespaltenes Wissen um diese Dinge. Manche Fraktionsmitglieder wollten mich am Freitag vor laufenden Kameras geradezu exkommunizieren!

Wären Sie inzwischen nicht bei einer anderen Partei besser aufgehoben?

Das kommt für mich nicht in Frage. Ich habe Bündnis 90 mitgegründet und die Partei mit den Grünen zusammengebracht. All diese Entwicklungen habe ich von Herzen mitgestaltet. Ich bin aus hartem Holz, deshalb halte ich die jetzige Kritik schon aus. Für meine Position werde ich in meiner eigenen Partei weiterkämpfen – und fragen, welche Ideale wir während der rot-grünen Regierungszeit preisgegeben haben.