Schulsport besser als erhofft

In Berlin wurde eine Untersuchung zum Schulsport in Deutschland vorgestellt. Vor allem die Ausgestaltung der Lehrpläne, mangelnde Leistungsorientierung sowie das Fehlen von Fachlehrern an Grundschulen werden kritisiert

BERLIN taz ■ Mit diesem Satz hatte niemand gerechnet: „Der Schulsport in Deutschland ist gut“, bilanzierte Ingo Weiß, der Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, des Dachverbandes für den Nachwuchssport im Lande, die große Schulsportstudie des Deutschen Sportbundes. Vor gut zwei Jahren, als der Startschuss für die Untersuchung abgegeben wurde, da gingen die Sportfunktionäre und die beteiligten Wissenschaftler, allen voran Projektleiter Wolf-Dietrich Brettschneider von der Universität Paderborn, noch davon aus, dass die Studie dem Schulsport ein verheerendes Zeugnis ausstellen werde. Die Sportoberen hofften auf eine Art Pisa-Schock im Schulsportbereich.

Und jetzt das: Der Schulsport steht besser da als erhofft. Er ist beliebt bei den Schülern. Die Sportlehrer genießen hohes Ansehen. Nicht einmal um die Sportstätten ist es arg schlecht bestellt, sieht man einmal von der mangelnden Ausstattung mit Schwimmhallen ab. Natürlich ist nicht alles gut, was in den Schulturnhallen des Landes stattfindet, aber zum großen Aufschrei gibt die Studie keinen Anlass. Und so sind es weniger die Ergebnisse der Studie selbst, die zu Diskussionen führen werden, als deren Interpretationen durch die Sportwissenschaftler.

So haben die Forscher bei ihren Befragungen festgestellt, dass viele Schüler im Sportunterricht gerne mehr gefordert würden. „Die Zeit der Kuschelpädagogik ist vorbei“, posaunte Brettschneider im Dezember vergangenen Jahres, als erste Zwischenergebnisse veröffentlicht wurden. Jetzt heißt es: „Das Notenspektrum wird nicht annähernd ausgeschöpft.“ Und es wird bemängelt, dass die Noten im Sport im Durchschnitt besser seien als die in anderen Fächern. Dass der adipöse Jüngling wohl nicht allein dadurch zu Höchstleistungen angespornt wird, wenn er für einen lahmen 100-m-Lauf eine Sechs kassiert, wissen auch die Sportwissenschaftler.

Sportpädagogische Themen wie diese werden sicher heiß diskutiert werden auf der im Dezember in Karlsruhe stattfindenden Fachtagung „Perspektiven des Schulsports“, an deren Ende der Deutsche Sportbund, die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Sportministerkonferenz ein Grundsatzpapier unterzeichnen wollen.

Studienleiter Brettschneider treiben in sportpädagogischer Hinsicht noch ganz andere Dinge um. Für ihn ist die Richtung, die die Lehrpläne für das Fach Sport eingeschlagen haben, falsch. Dort wird dem Sportunterricht eine Doppelrolle zugewiesen. Es soll zum Sport erzogen werden, also sportliche Kompetenz vermittelt werden – andererseits soll durch den Sport erzogen werden, um beispielsweise soziales Verhalten zu schulen. Brettschneider befürchtet dass ob dieser Doppelfunktion der eigentliche Kern der Sache, der Sport selbst, auf der Strecke bleibt. Er fordert eine Rückbesinnung auf den Kompetenz vermittelnden Unterricht. Aber auch diese Diskussion findet vor dem Hintergrund allgemeiner Zufriedenheit mit dem Schulsport statt. Kein Grund also, zum eiligen Halali auf die angeblichen Hätschelstunden im Sport zu blasen.

Wirklich problematisch ist indes die mangelnde Ausstattung vor allem der Grundschulen mit Fachlehrern. Das Klassenlehrerprinzip steht dem Einsatz von Sportpädagogen entgegen. Warum aber ausgerechnet die fachfremden Lehrer so wenig Fortbildungen zum Thema Sport machen, wird auch die Kultusminister zum Handeln anregen. Genau das hat Johanna Wanka, Brandenburgs Wissenschaftsministerin als Vorsitzende der KMK, bei der Entgegenahme der Studie angekündigt. Dann meinte sie noch, dass sie den Einsatz der Sportfunktionäre durchaus verstehe. Sie müsse aber auch zum Beispiel an den Musikunterricht denken. Warten wir also auf die große Schulmusikstudie.

ANDREAS RÜTTENAUER