: UNO erklärt Hutu-Milizen den Krieg
Mit einer „Operation Falcon Sweep“ im Osten Kongos wollen UN-Kampftruppen, unterstützt von Spezialeinheiten, ruandische Hutu-Milizen zum Einstellen ihres Krieges zwingen. Eine Spaltung der Milizen gab den Ausschlag für die Offensive
VON DOMINIC JOHNSON
Die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) hat zum ersten Mal eine Offensive gegen ruandische Hutu-Milizen im Osten des Landes gestartet. Rund 400 Blauhelmsoldaten, unterstützt von Kampfhubschraubern und US-ausgebildeten Elitesoldaten aus Guatemala, sind in Hochburgen der Milizen in der Provinz Süd-Kivu eingerückt, erklärte die Monuc am Dienstag. Ziel der „Operation Falcon Sweep“ ist es, die Milizen zur Rückkehr nach Ruanda zu bewegen.
„Wenn diese bewaffneten Gruppen nicht gehen, werden wir Gewalt anwenden, um sie zu verjagen“, erklärte Monuc-Militärsprecher Thierry Provendier. Ein UN-Verantwortlicher in Kongos Hauptstadt Kinshasa erklärte gestern der taz, man sei in eine „aggressivere Phase“ eingetreten. Bisher sei es noch zu keinen Kampfhandlungen gekommen, jedoch zu „angespannten Konfrontationen“. So sei eine UN-Einheit im Nationalpark Kahuzi-Biega kurzzeitig von 150 Milizionären eingekesselt worden.
Die ruandischen Hutu-Milizen im Kongo sind die letzte große bewaffnete Gruppe der Region, die in keinen politischen Prozess eingebunden ist. Größtenteils von Tätern des ruandischen Völkermordes in Ruanda 1994 geführt, die damals nach Kongo flohen und von dort aus weiter Krieg gegen Ruanda führten, haben sie ihre Präsenz im Ostkongo erneut konsolidiert, seit Ruandas Regierungsarmee 2002 ihre sechsjährige Stationierung im Kongo beendete. Politisch als FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) konstituiert, besetzen die Milizen ganze Landstriche und leben vom Mineralienexport. Ein UN-geführtes Programm zu ihrer freiwilligen Demobilisierung und Repatriierung nach Ruanda hat nur etwas über 10.000 von ihnen zur Rückkehr bewogen; rund 15.000 sind noch im Kongo stationiert.
Zivilgesellschaftliche Gruppen in Ostkongos Kivu-Provinzen werfen den Milizen ein regelrechtes Terrorregime vor. Vor allem im Distrikt Walungu unmittelbar westlich der Grenzstadt Bukavu plündern sie die Bevölkerung aus, entführen Zivilisten zwecks Zwangsarbeit oder Vergewaltigung und verüben zahlreiche Morde. „Walungu ist unser Darfur“, sagte Kongos Vizepräsident Azarias Ruberwa letzten Monat der taz und forderte ein internationales Eingreifen. Die Afrikanische Union (AU) hat das mehrfach zugesagt, aber die bis zu 45.000 Soldaten, die sie dazu nach eigener Einschätzung braucht, hat sie nicht.
Die UN-Mission hat sie auch nicht, aber sie beendet nun ihre bisherige Politik des kompletten Nichtstuns. Vorrangig, so heißt es aus Monuc-Kreisen, wollen die Blauhelme eine UN-Präsenz in Nindja etablieren, wo eine radikale FDLR-Abspaltung namens „Rastas“ ihr Unwesen treibt und erst am 23. Mai 18 Zivilisten mit Macheten ermordete. Das Massaker von Nindja sorgte im Kongo für breite Empörung und verstärkte den Druck auf die UNO, endlich etwas zu unternehmen. In Kongos Nordostdistrikt Ituri geht die UNO schließlich auch mit Gewalt gegen Milizen vor. Ein ähnliches Schicksal hatte die FDLR bisher durch geschicktes Taktieren vermieden. Am 31. März sagte ihre Führung in Italien ein Ende ihres Kampfes zu. Daraus wurde zwar nichts, aber es stoppte zunächst die Vorbereitungen für eine Militäraktion.
Es dauerte bis Juni, bis die UNO merkte, dass sie gelinkt worden war. Dann bedeutete die Monuc dem in Kinshasa weilenden FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka, er müsse nunmehr mit einem Militärschlag rechnen. Ein Grund für die Verzögerung war gewesen, dass die aus Guatemala eingeflogenen „Special Forces“ zunächst untätig bleiben mussten: Ihre aus Israel bestellte Ausrüstung wurde aus Versehen ins Nachbarland Kongo-Brazzaville geliefert und hing dort wochenlang fest.
Das endgültige grüne Licht für einen UN-Militärschlag lieferte die FDLR selbst. Ihr Führer Murwanashyaka wurde am 27. Juni von einer rivalisierenden Fraktion unter Christophe Hakizabera für abgesetzt erklärt. Hakizabera gilt als Friedensbefürworter und kommandiert die wichtigsten FDLR-Einheiten in Südkivu. Murwanashyaka wies die Absetzung zurück und zog sich in die Nachbarprovinz Nordkivu zurück.
Nun bekämpfen sich FDLR-Einheiten in Südkivu gegenseitig. „Wir wissen nicht, welche Fraktion repräsentativer ist und was bei denen los ist“, kommentiert ein UN-Verantwortlicher in Bukavu. „Aber beide Fraktionen sind präsent.“ Die UN-Soldaten wollten nun prioritär die Rückkehr der mehreren zehntausend Zivilisten, die in Walungu vor der FDLR geflohen sind, in ihre Dörfer ermöglichen.