: Mit dem Holzschiff in den Hades
LANDSCHAFTSTHEATER Zum 17. Mal verwandeln die Heersumer Sommerspiele in Holle bei Hildesheim ein ganzes Dorf in eine riesige Bühne. Diesmal geht es nach Griechenland
VON ROBERT MATTHIES
So etwas wie das Oberammergau des Nordens sind die Dörfer in der Gemeinde Holle bei Hildesheim in den letzten 19 Jahren geworden: mehr als 120 Laienschauspieler_innen aus der ganzen Region haben auch dieses Jahr wieder für die Heersumer Sommerspiele auf dem letztes Jahr noch mit einem Jolly Roger beflaggten Holzschiff angeheuert.
1993 hatte das dort ansässige Heersumer „Forum für Kunst und Kultur“ mit „Rache für Rosa – ein Theaterstück in 3 Akten und 2 Scheunen“ zum ersten Mal das kleine Dorf in der Hildesheimer Börde in ein riesiges Landschaftstheater verwandelt. Aus Feldscheunen und Feuerwehrteichen werden seitdem für einen Sommer Kunstorte, aus Sparkassenangestellen und Lehrerinnen Kostümschneider, Bühnenbildner und Schauspielerinnen.
Seit zwölf Jahren findet das anarchische Volkstheater-Spektakel nun jedes Jahr statt, alljährlich ziehen rund 500 ZuschauerInnen pro Aufführung zu Fuß oder im Bus hinter den Laienschauspielern und ein paar Profis von Spielort zu Spielort. Sogar ein eigenes Museum haben die Heersumer schließlich eingerichtet, das alle Ereignisse rund um das einzigartige sommerliche Sozialkulturprojekt dokumentiert.
Eigentlich sollte es dieses Jahr eine Neuauflage des erfolgreichen Stückes „Piraten! oder Der zerbrochene Bug“ aus dem letzten Jahr geben. Mehr als 6.000 Zuschauer aus ganz Deutschland hat die eigenwillige Geschichte um die Abenteuer des Musikpiraten Ralph Segel, der noch ein letztes Mal den Eurovision Song Contest gewinnen will, auf den Theater-Parcours durch das Dorf Holle gelockt.
Entschieden haben sich Regisseur Uli Jäckle und sein Team aber schließlich aus aktuellem Anlass doch für eine Reise durch das Schattenreich des antiken Griechenlands. Nicht nur, weil man sich verpflichtet fühlt, die europäische Geschichtsschreibung an ein verdrängtes Kapitel zu erinnern: Die kulturelle Wiege des Kontinents liege zwar unbestritten in der Ägäis – deren Wiege jedoch wiederum zwischen Salzgitter und Hildesheim.
Auch ganz praktische Beweggründe aber hatte der Kurswechsel. Am Berliner Deutschen Theater hatte Jäckle mit einem Großteil seiner Heersumer Mitstreiter Homers „Odyssee“ inszeniert, warum also nicht all die ohnehin geschneiderten Kostüme noch einmal verwenden und das wandernde Landschaftstheater dorthin verlegen, wohin sowieso derzeit alle Augen gerichtet sind? Die Geschichte für „Unter Göttern“ hat Jäckle diesmal erstmals auch selbst geschrieben: Am Samstag feiert das opulente vierstündige Volkstheater rund um alte Götter, Philosophen, Helden und die Entführung einer entfernten Verwandten Eurydikes in den Hades auf dem Laves-Kulturpfad im Holler Ortsteil Derneburg Premiere.
■ Holle: Premiere am Sa, 30. 7., 15 Uhr, Beginn am Lavespfad / Zum Stuken in Derneburg, Holle; weitere Termine: 1. / 7. / 8. / 14. / 15. Juli sowie am 1. / 2. / 8. / 9. / 15. / 16. September; jeweils samstags um 15 Uhr und sonntags um 10 Uhr; www.forumheersum.de