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Mit der Kamera up’n Swutsch

Originelle Stadtimpressionen: Wie in Großstädten ein urbanes Wir entsteht, fragt die Bremer Filmemacherin Beatrix Schwehm in sechs filmischen Miniaturen

Von Wilfried Hippen

Wenn Michael Scheer König von Bremen wäre, würde er auf dem Domshof, einem zentralen Platz der Bremer Innenstadt, einen Wald anpflanzen. Das würde dann ein „mikroklimatischer Hammer“ und eine Touristenattraktion, spinnt der Geschäftsführer der „Gemüsewerft“, die die Begrünung der Stadt schon auf einem Teil vom Gelände des ehemaligen Kellogg’s-Werks begonnen hat, eine Utopie. Aber solche fantasievollen Zukunftspläne sind auch dringend nötig, wenn man das Problem der sterbenden Innenstädte von Großstädten wie Bremen lösen will. Das Rathaus, der Roland und der Dom locken zwar immer noch viele Tou­ris­t*in­nen in das ­Zentrum, aber die BremerInnen selbst haben kaum noch Gründe, „up’n Swutsch in die Stadt“ zu gehen, wie man in Bremen secht.

Selten war Stadtplanung so wichtig wie heute. Die Bremer Filmemacherin Beatrix Schwehm versteht ihre Reihe mit „6 filmischen Miniaturen“ deshalb als „eine Anregung zu einem offenen Austausch über die Zukunft der Innenstadt“. Darin stellt sie, jeweils dreieinhalb Minuten lang, sechs Bre­me­r*in­nen vor, die etwas dazu zu sagen haben. Wie etwa der Stadtbegrüner Michael Scheer, den Schwehm in dem riesigen Garten vorstellt, den er nur wenige Kilometer vom Bremer Marktplatz entfernt sprießen lässt.

Hanns-Ulrich Barde, Projektmanager des „Sportgarten e. V.“ will die Jugend wieder in die Innenstadt locken. Viele durch das Kaufhaussterben verwaiste Orte könnten in Spielplätze umfunktioniert werden, wo Jugendliche Fußball spielen oder skaten dürfen. Allerdings nicht unbedingt auf dem Dach des geschlossenen Kaufhauses Horten. Dort spielten ein paar Teen­age­r*in­nen nur für die Filmaufnahmen ein wenig mit einem Basketball herum und vermitteln so einen Eindruck davon, wie cool die Idee von Barde ist.

Denn Beatrix Schwehm hat keine trockenen Infofilmchen gemacht, in denen die Prot­ago­nis­t*in­nen möglichst viel und klug daherreden. Sie weiß, dass der Film kein gutes Medium dafür ist, Informationen zu vermitteln. Mit Geschichten, Persönlichkeiten und Bildern kann man dagegen die Neugierde des Publikums wecken, und genau dies tut Schwehm in ihren Miniaturen, die alle einen eigenen Stil und eine eigene Stimmung haben. Beim Ballspiel hoch über den Dächern der Stadt bedient sie sich ein wenig bei der Ästhetik von Musikvideos, im Stadtgarten wird jedes Blättchen gefeiert und die Stadtplanerin Sabine Baumgart schickt sie mit einem Clipboard in die Obernstraße, wo sie vor einem leer stehenden Geschäftshaus das Wort „Gebäudehülle“ fallen lässt und davon erzählt, dass sich die Stadt seit über tausend Jahren ständig verändert hat und man „diese Dynamik aushalten muss“.

Viele verwaiste Orte könntenin Spielplätze umfunktioniert werden

Schwehm, deren Dokumentarfilme sich durch ihre Einfühlsamkeit und die Nähe zu den Protagonistinnen auszeichnen, bedient sich in dieser für sie neuen Form mit viel Spielfreunde bei der Trickkiste des Filmemachens. Da werden Bilder mit Schlieren aus dem Computer „alt gemacht“, Licht und Farben so eingesetzt, wie es eher im Spielfilm üblich ist, und Tauben flattern in leeren Häuserschluchten.

Der Bremer Filmmusiker André Feldhaus hat zusammen mit dem Sounddesigner Anders Wasserfall für jede Miniatur einen anderen Sound gefunden: mal das Wabern von elektronischen Klängen, mal die organischen Töne einer akustischen Gitarre. Solche originellen und sorgfältig gestalteten Stadtimpressionen gibt es nicht nur in Bremen selten.

http://www.beatrix-schwehm-film.de/

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