Editorial von Dominic Johnson
: Wasser für alle!

Es ist das älteste Klischee der Entwicklungshilfe: Weiße Helfer kommen in ein armes Land, bohren einen Brunnen und machen die armen Schwarzen glücklich. Oder auch: Weiße Helfer bohren einen Brunnen, installieren eine Wasserpumpe, gehen wieder, die Pumpe geht kaputt und die ratlosen Schwarzen haben wieder kein Wasser. Koloniale Denkmuster von weißen Rettern, die hilflose Nichtweiße vor ihren eigenen Lebensumständen bewahren, prägen noch heute das Bild, das viele Menschen sich von Entwicklungshilfe machen. Es geht oft um Wasser und um die Macht, die aus der Verfügungsgewalt über Wasser entspringt.

Denn wer über Wasser herrscht, herrscht über Leben und Tod. Kein Mensch kann länger als ein paar Tage ohne Wasser überleben. Verschmutztes Wasser ist die Hauptursache vermeidbarer Krankheiten auf der Welt. Die Lebensmittelproduktion auf der Erde hängt vom vernünftigen Wassereinsatz ab, die Zerstörung von Wasserressourcen vernichtet auch alle anderen Lebensgrundlagen. Manche glauben, der Ursprung von Staatlichkeit schlechthin liege im Bewässerungsmanagement. Bis heute prägt Wasser die Politik – von den drohenden Nilkriegen zwischen Ägypten und Äthiopien bis zu Armin Laschets TV-Einlage im Ahrtal, ohne die er vielleicht doch der nächste Bundeskanzler geworden wäre.

Die Nutzung von Wasserressourcen geht alle Menschen an und müsste alle einbeziehen. Aber in der Praxis wird sie meist rein technokratisch geregelt, während viele Betroffene auf der Strecke bleiben. Bis zu zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben laut UNO immer noch keinen verlässlichen Zugang zu sauberem Wasser, obwohl es eigentlich genug Wasser auf der Welt gibt für alle.

Das zu ändern wäre eine zentrale Aufgabe der globalen Entwicklungszusammenarbeit, aber allzu oft steht dabei die Technik und nicht der Mensch im Mittelpunkt. Das hat auch etwas mit der ältesten Ungleichheit der Menschheit zu tun: Wasserholen, Putzen, Kochen und Hygiene ist in den allermeisten Gesellschaften Frauensache. Aber über den Zugang zu Wasser und seine Verteilung entscheiden vor allem Männer. Auf lokaler Ebene weiß die Bevölkerung meist ganz genau, wie die Wasserversorgung verbessert werden könnte. Aber sie findet oft kein Gehör und wenig Unterstützung gegen jene, die von Missständen profitieren.

All diese Erkenntnisse und Zusammenhänge hat das taz-Rechercheprojekt „taz folgt dem Wasser“ im vergangenen Jahr recherchiert und aufgearbeitet. Grund genug, zum Abschluss des Projekts die Entwicklungshilfe unter die Lupe zu nehmen – pünktlich zu dem Zeitpunkt, an dem in Deutschland ein Regierungswechsel ansteht. Führt dieser vielleicht zu einer Aufwertung der Entwicklungspolitik, ja sogar einem Paradigmenwechsel hin zu einer menschenorientierten Politik? In den gesammelten Wasserrecherchen der taz fänden sich dafür so manche Ansätze.