So viel Wirklichkeitsverweigerung

betr.: „Ungleiche Geschwister“ von H. Bergsdorf, taz vom 5. 7. 05

Man mag ja von der PDS und Oskar Lafontaine halten, was man will, aber die Gleichsetzung von rechten und linken Positionen ist schon ein starkes Stück. Gewiss haben beide Seiten eine Kritik am Kapitalismus vorzuweisen, nur bedeutet das noch lange keine inhaltliche Identität. Und wenn doch eine Identität besteht, sollte man prüfen, was von dieser Kritik zu halten ist, statt die immer wieder beschworene Umverteilung von oben nach unten zu erwähnen. Vielleicht sollte sich ein Harald Bergsdorf einmal Gedanken darüber machen, warum eine solche Umverteilung überhaupt gemacht wird.

Es ist ferner ärgerlich genug, dass Anhänger der PDS der Meinung sind, es gäbe in Deutschland zu viele Ausländer. Der Hinweis von Bergsdorf aber, dass der Ausländeranteil in den neuen Ländern bei etwa 2 % liege, legt dabei den gleichen nationalistischen Maßstab an, da er damit zu Protokoll gibt, dass es bei nur 2 % Ausländeranteil noch lange keinen Grund für eine solche Ansicht gäbe. Stellt sich die Frage, bei welchem Prozentwert diese Auffassung der PDS-Anhänger gerechtfertigt sei. KRISTOF HOLSTE, Gießen

Offensichtlich sind die zunehmende Verarmung und die hohe Arbeitslosigkeit nur von Populisten eingeredet. Nach Meinung von Herrn Bergsdorf gibt es keine Umverteilung von unten nach oben, sondern vielmehr immer noch über das Steuersystem eine Umverteilung von oben nach unten. Ach unsere armen Reichen. Und natürlich sind Mindestlöhne der Untergang. Wobei die Argumentation mit dem Hochlohnbereich Autoindustrie jede Peinlichkeitsgrenze überschreitet. Die Ursachen für die Wahl von Populisten sind auch klar. Es sind die fehlende Kirchenbindung und natürlich die Halbwahrheiten, mit denen die Populisten die Lücke zwischen Ideologie und Wirklichkeit überbrücken. Wer wie unser Autor meint, man könne aus der Existenz von einer Staatsquote ableiten, was wir für einen schönen Kapitalismus haben, der hat wohl ein eigentümliches Bild von Realität. Er kann jedenfalls nicht auf die Idee kommen, dass die Ursachen für bestimmte Verhaltensweisen der Wähler in der Wirklichkeit zu suchen sind. So ist er zum Glück nicht weit weg von unseren großen „Volksparteien“. Bei so viel Wirklichkeitsverweigerung hilft auch kein Zitat von Dahrendorf als Feigenblatt. Ein Schönredner ist nicht das Gegenteil von einem Populisten, auch nicht wenn er in der taz schreibt. ROLAND DÄSTNER, Berlin

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