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Es bleibt nur eine Illusion

Moby Dick im Theater Bremer ist schön anzusehen, fällt aber doch hinter die Literatur und ihren Gehalt zurück

Ein Wal, ein Boot, eine Metapher: „Moby Dick oder Der Wal“ auf der Bühne Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Jens Fischer

Pforten auf, Gebläse an: Wabbelig erhebt sich ein zusammengerollter Stoffberg zu einem wogenden Luftkissen und gewinnt an Form. Ein bolleriger Kopf, paddelig kleine Flossen an einem massigen Körper und der aufgeklappte Unterkiefer wuchern dem Publikum entgegen. So riesig, so weiß. Sehr schön. Pathetisch wallt Musik, bis sich der Säugetierballon in originaler Pottwallänge von mehr als 15 Metern auf der Spielfläche herumräkelt. So wird zum Premierenfinale der Ausgangspunkt der Produktion „Moby Dick oder der Wal“ deutlich: Der legendäre Leviathan ist gar kein echter Wal, auch kein Dämon als Inkarnation des Bösen, nur ein Projektionsobjekt und eine luftige Metapher, um die nun szenische Fantasien kreisen, die sich punktuell auf den Roman Herman Melvilles beziehen. Und am Ende die Idee des Wals, also das schwerelos gleitende gegen das machistisch machtgierige Dasein siegen lassen.

Schon zu Beginn der von den Geschwistern Nadine und Denis Geyersbach (Idee, Konzept, Ausstattung) ausbaldowerten, von Alize Zandwijk (Regie) betreuten Produktion verweht der 900-Seiten-Wälzer in einer Bühnenfön-Attacke. Die darin enthaltenen philosophischen Exkurse, politischen Essays, naturwissenschaftlichen Betrachtungen rund um die Abenteuergeschichte seien eh nicht nachzuerzählen, so die These. Aber genauso unbändig wie der Roman verschiedene Textformen collagiert, vermengt die Aufführung nun diverse Stilmittel – zu einer sympathisch kauzigen, locker assoziativen Performance.

Multinstrumentalist Beppe Costa musiziert dazu gischtpeitschend, sturmtosend, nervenzerrend, glücksverheißend, angstgrummelnd und hat auch eine pop-poetische Kommentarfunktion. Traurige Balladen singt er: „Ich bin der letzte der großen Wale und ich sterbe“. Costa fidelt Walgesänge, während die Geyersbachs mit Holzschiffchen in einem Aquarium spielen. Darin platzierte Farbbeutel-Wale werden mit einem Degen zum Platzen gebracht und die Plastikfetzen aus der Brühe gefingert. „Leergefischt“ lautet der lakonische Kommentar zur Ausbeutung der Meere.

Bald lassen die Geyersbachs ihrem versponnenen Erfindungsreichtum vollends freien Lauf und imaginieren eine Unterwasserwelt als Schwarzlichttheater auf die Bühne. Riesenquallen aus Tüll-behängten Regenschirmen begegnen Leuchtfischen, herumschwebenden Stoffalgen und Flummigetier. Toll! Aber, ach, das ist alles nur Illusion. Im brutal aufleuchteten Weißlicht geht es zurück in die Gegenwart zur nächsten Wal-Vorlesung. Die eben noch wallenden Banner sind zerknüllt und vertäut. Costa stimmt Leidensgesang an. Erklärt wird, wie man den Ozeanriesen schält, um den wertvollen Tran aus seinem Speck kochen zu können.

Die Romanhandlung wird nur angedeutet: Nadine Geyersbach spricht schwarz kostümiert von der schwarzen Galle des quälend gequälten Ahab und legt zähnebleckend einen Hass-brünstigen Monolog wider den Wal hin. Denis Geyersbach positioniert sich lauthals plakativ gegen Vermüllung der Ozeane, gegen die Wachstumsideologie, gegen Klimawandelstürme in den USA und fragt: „Warum retten wir denn nicht den Planeten – wegen einer Unze Gold?“

Inhaltlich verbleibt der Meerschützergeist der Aufführung auf dem Öko-Kalenderspruchniveau von „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet“ und so weiter. Die Bühne ist Spielplatz dafür, was die Geyersbachs alles gebastelt haben. Höchst effekt- und stimmungsvoll funktioniert das, ist aber letztlich keine fundierte Auseinandersetzung mit der Vorlage oder dramaturgisch stringente Aufarbeitung ihrer Themen.

Moby Dick oder Der Wal: wieder So., 12.9., 18.30 Uhr sowie Fr., 17.9., 20 Uhr, Theater Bremen, Kleines Haus

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