Muslime in Neukölln : „Ein Missbrauch meiner Religion“
„Das sind Mörder, keine Moslems.“ In den arabischen Cafés in der Neuköllner Sonnenallee ist die Empörung groß. „Muslime sind keine Terroristen“, schiebt der Mann vor dem Café Al-Salam nach. Seinen Namen will er lieber nicht nennen. Die Londoner Terroranschläge findet er schlimm. Schließlich trifft ihn das auch ganz persönlich. Er fühlt sich in Sippenhaftung genommen. „Die Leute missbrauchen meine Religion, um in ihrem Namen Menschen zu töten.“ Die Umsitzenden sind von der Sache eher genervt. Sie wollen sich nicht zu den Anschlägen äußern, nur weil sie zufällig mit den Terroristen die Religion teilen. Einer von ihnen steht dann aber doch noch extra auf, um auf die Markise zu zeigen, unter der sie sitzen. Dort ist eine weiße Taube abgebildet, die Friedenstaube. „Das ist Islam“, sagt der Mann.
Der Alltag in der Sonnenallee geht an diesem Nachmittag einfach weiter – auch weil viele noch gar nicht von den Anschlägen erfahren haben. „Was ist da passiert? Explosionen in Bussen und Bahnen? Wer macht so was?“ Der Verkäufer bei „Akram Snack“, einem arabischen Imbiss, weiß auch sechs Stunden nach der ersten Bombe nichts von den Attentaten. Als der Name al-Quaida fällt, beginnt er reflexhaft sich zu rechtfertigen. „Damit hab ich nichts zu tun. Aber wenn irgendwo etwas passiert, ist es immer gleich al-Quaida. Ob sie es wirklich waren, weiß doch kein Mensch.“ Und überhaupt sei Bin Laden kein Muslim, sondern Mafioso.
In dem kleinen türkischen Supermarkt zwei Querstraßen weiter wird die Ohnmacht zu Wut. Der Kassierer hat von dem Anschlag im Radio gehört. Er ringt nach Worten, bekommt nichts raus. Sein Deutsch reicht nicht aus. Er holt seinen Chef zu Hilfe. Der kann zwar Deutsch, hat allerdings von den Bomben noch nichts gehört. „Wenn unschuldige Leute umgebracht werden, macht mich das wütend“, ist sein spontaner Kommentar: „Mit Religion hat das nichts zu tun.“ Wie alle anderen auch findet der Supermarktchef, dass im Namen des Islams nicht getötet werden darf. „Islam heißt Friede. Die Terroristen sollten mal in den Koran schauen.“ Der Verkäufer versteht zwar nichts, nickt aber bekräftigend, während sich sein Chef in Rage redet. „Unsere Religion sollte nicht für die Politik einer Gruppe Terroristen missbraucht werden. Als Moslem verurteile ich diese Attentate.“
DAVID DENK, PHILIPP DUDEK