piwik no script img

Archiv-Artikel

CDU setzt voll aufs alte Westberlin

Die Hauptstadt-Union schickt heute ihre Listenkandidaten für die Bundestagswahl ins Rennen. Kandidaten aus den mitgliederstarken Westberliner Kreisverbänden beherrschen das Bild. An Frauen und Ostdeutschen hapert es

Wen auch immer die CDU-Landesvertreterversammlung heute ins Rennen um die Bundestagswahl schickt, an einem Mann muss jede(r) KandidatIn zuvor vorbeigekommen sein: am neuen starken Mann der Berliner Union, dem Landesvorsitzenden Ingo Schmitt.

Schon vor einer Woche hat Schmitt, in einer seiner vielen Nebentätigkeiten Chef des mächtigen Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, mit seinen Kreisvorsitzenden-KollegInnen eine KandidatInnenliste aufgestellt. An deren Zusammenstellung werden sich die Unions-Delegierten heute voraussichtlich halten. Ein Blick auf diese Liste offenbart das trübe Bild einer Westberliner Männerpartei, in der Ingo Schmitts Handschrift spürbar ist.

Zwar steht mit Monika Grütters eine als liberal geltende Kulturexpertin auf dem Spitzenplatz. Doch die Kunsthistorikerin – obendrein unverheiratet und aus dem Westen zugezogen – bleibt die einzige Zumutung für die kleinbürgerliche Hauptstadt-Union. Die 43-Jährige gilt als Zugeständnis Schmitts an Angela Merkel, die Grütters’ Bewerbung unterstützt haben soll. Außerdem erhofft sich die selbst ernannte „liberale Großstadtpartei“ CDU dadurch Stimmen jenseits des angestammten Lagers. Ohne die Unterstützung liberaler Kreise hat die Partei auch beim Abgeordnetenhauswahlkampf im kommenden Jahr keine Siegeschance.

Auf den Plätzen zwei bis neun zeigt sich, welche Kreisverbände etwas zu sagen haben in der Landespartei – und welche nicht. Platz zwei hat sich Kreisfürst Ingo Schmitt gleich selbst zuerkannt. Ein Affront, selbst für die vieles gewöhnte CDU. Denn Schmitt hatte noch wenige Tage vor seiner Kandidatur beteuert, sein seit 2001 bestehendes Mandat im EU-Parlament auch weiter ausüben zu wollen, ein Bundestagssitz interessiere ihn hingegen nicht.

Allzu durchsichtig behauptete Schmitt, er habe durch seine Kandidatur eine Kampfabstimmung zweier Mitglieder seines Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf verhindern wollen: „Es hätte mir den Kreisverband wieder verrissen, wenn ich das zugelassen hätte.“ Die Rolle des sich tapfer selbst Aufopfernden kaufen dem Ämtersammler Schmitt aber auch die Parteimitglieder nicht ab.

Auf den Listenplätzen drei bis neun sind nominiert: Karl-Georg Wellmann (Steglitz-Zehlendorf), Peter Rzepka (Tempelhof-Schöneberg), Kai Wegner (Spandau), Roland Gewalt (Reinickendorf), Kurt Wansner (Friedrichshain-Kreuzberg), Volker Liepelt (Mitte) und Niels Korte (Treptow-Köpenick). Doch die meisten KandidatInnen können sich keine realistischen Chancen ausrechnen. Bis zu sieben Berliner Bezirke können CDU-Direktkandidaten laut Prognosen im September direkt gewinnen – und ihre Listenkollegen dadurch verdrängen.

Der Bundestagsabgeordnete und Ex-DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke will heute zwar um einen aussichtsreichen Listenplatz kämpfen, doch Nookes Chancen stehen ähnlich schlecht wie die seiner Abgeordnetenkollegin Edeltraut Töpfer, der Landesvorsitzenden der Frauen-Union. Für Frauen und Ostdeutsche hat die Berliner CDU keinen Platz mehr. MATTHIAS LOHRE