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Auf der Suche nach dem Endlager

Geologisch kommen laut Bundesgesellschaft für Endlagerung 80 Prozent von Niedersachsens Boden für eine Atommülldeponie infrage. Die Landesregierung will nun selbst ein Gutachten dazu erstellen

Niedersachsen ist jetzt schon besonders vom Atommüll gebeutelt

Von Reimar Paul

Nett gemeint, aber wohl ohne praktische Konsequenzen: Das Umweltministerium in Niedersachsen will untersuchen lassen, ob wirklich der größte Teil der Landesfläche für den Bau eines Endlagers für hoch radioaktiven Atommüll infrage kommt, und ein eigenes Gutachten dazu erstellen lassen.

Die mit der Endlagersuche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung mit Sitz in Peine hatte Ende September 2020 einen ersten Zwischenbericht über ihre Bemühungen vorgelegt. Der Bericht bewertet mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands unter geologischen Gesichtspunkten als potenziell tauglich für ein Endlager. In Niedersachsen sind es sogar mehr als 80 Prozent der Landesfläche. Alle Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Region Hannover sind betroffen. Als grundsätzlich geeignet gelten Salz-, Granit- und Tonformationen.

Konkret soll der von der Landesregierung gesuchte Gutachter oder die Gutachterin zunächst prüfen, inwieweit sich das sogenannte tertiäre Tongestein unterhalb Niedersachsens tatsächlich als Standort für radioaktive Abfälle eignet. In Niedersachsen deckt dieses Gestein nach Angaben von Umweltminister Olaf Lies (SPD) gut 60 Prozent der Landesfläche ab. „Die Experten der BGE haben diese gesamte Fläche als potenziell geeignet eingestuft“, sagte Lies der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Das kam schon etwas überraschend. Mir fehlt da bislang einfach die Differenzierung.“

Weil Niedersachsen auch über Salzstöcke und – zu einem geringen Teil – über Granitvorkommen verfügt, ergibt sich für das Bundesland eine möglicherweise geeignete Fläche von insgesamt 80 Prozent. Das ist mehr als in jedem anderen Flächen­bundesland. „Es geht uns nicht darum zu sagen: Wir wollen hier kein Endlager in Niedersachsen. Wir stehen hier nach wie vor hinter dem Auswahlprozess“, sagt Lies. Es gehe lediglich darum, kritisch zu hinterfragen, was die Bundesgesellschaft für Endlagerung annehme. Die Ergebnisse des Gutachtens werde das Land dann „selbstverständlich“ mit der Bundesbehörde und anderen Bundesländern teilen. Mehr ist auch gar nicht möglich, denn die Endlagersuche ist Sache des Bundes. Über den Standort entscheidet letztlich der Bundestag.

Dabei ist Niedersachsen jetzt schon besonders gebeutelt vom Atommüll. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II rosten 126.000 Fässer mit schwach und mittel radioaktivem Müll vor sich hin, die dortige Grube droht voll Wasser zu laufen und einzustürzen. In Salzgitter rüstet die Bundesgesellschaft für Endlagerung das frühere Eisenbergwerk Schacht Konrad zum nationalen Endlager für diese Art von Atommüll um. Und wenige Kilometer von der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt befindet sich mit dem einstigen DDR-Endlager Morsleben ebenfalls eine havarierte Lagerstätte.

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