Bizarre Seiten der Identitätspolitik: „Du bist wie ein Weißer!“

Wie geht man damit um, wenn man als „Token“ bezeichnet wird? Daniel Mack weiß es.

Foto: picture alliance/dpa

Von DANIEL MACK

»Du bist ein Token«, sagte man mir. Und als ich nachfragte: »Du verhältst Dich wie ein Weißer!« Geht‘s noch? Anderen Leuten irgendwelche Labels geben? Nice try! Ich bin Daniel Mack. Ich war für mein Bundesland im Landtag. Mich interessiert, wohin wir uns als Gesellschaft bewegen, wie wir als Wirtschaft erfolgreich sein können. Nicht nur jetzt, auch morgen. Deshalb mache ich meinen Job. Wer ich bin und wer nicht, entscheide ich. Für mich. Sonst niemand.

Es ist bizarr, dass ausgerechnet diejenigen, die im Netz und auf der Straße lautstark gegen Diskriminierung unterwegs sind, über äußerliche Merkmale bestimmen wollen, wie viel Opfer man zu sein hat.

Ich soll verdammt nochmal zu meinem Migrationshintergrund stehen? Zu welchem? Okay, ich gebe zu, ich vermisse meine hessische Heimat. Ich komme aus Bad Orb, war katholischer Messdiener, liebe Europacup-Abende im Waldstadion. Schon klar, dass ich etwas dunkler bin als der durchschnittliche Mitteleuropäer. Aber ist’s auf dem Platz nicht so, dass dem Ball total egal ist, wer gegen ihn tritt? Ich mag das Bild. Hautfarbe darf keinen Unterschied machen. Ob man durch sie ein Exot ist oder nicht, entscheidet jeder selbst. Steckt mich aber bitte nicht in Schubladen, auch wenn ihr es gut meint.

Daniel Mack, Jahrgang 1986, ist Kommunikations- und Politikberater. Von 2012-2014 saß er für Bündnis 90/Die Grünen im hessischen Landtag. Seit 2020 arbeitet er für die Daimler AG im Berliner Büro des Automobilkonzerns.

Verwenden wir richtigen Begriffe?

Sind weiß/nicht weiß und Täter/Opfer die richtigen Kategorien? Natürlich nicht. Wir müssen viel mehr über Aufstieg und Erfolg, die Bedingungen und Voraussetzungen dafür reden, wenn wir etwas verändern wollen. Ist es ein Zufall, dass Ufuk Bayraktar, besser bekannt als UFO 361, oder Wladislaw Balowazki, genannt Capital Bra, Spotify-Playlisten entern, sobald sie einen neuen Song droppen, mit ihren Alben die Charts anführen und Business machen?

»Habe vieles erlebt und auch reichlich gesehen. Will nicht in jedem Track das gleiche erzählen. Also bleiben die Songs immer reich an Ideen. Meine Chance zum Erfolg, kann mir keiner hier nehm'«, rappt UFO 361 ziemlich lässig in einem seiner Songs. Locker bleiben, kreativ sein. Ziele setzen, Ziele erreichen.

Das Gegenteil des Schubladendenkens deutscher Identitätspolitik. Neue deutsche Aufstiegsstories. Jungs, die es in ihrer Kindheit und Jugend sicher nicht einfach hatten, sich aber raus und hochgekämpft haben. Stories, wie es sie tausendfach in unserem Land gibt. Leute, die anpacken, Gas geben, vorankommen, auch mal scheitern, wieder aufstehen.

Sie verleugnen ihre Herkunft nicht, stellen sie nicht in den Vordergrund, haben einen lässigen Umgang mit Vergangenheit und Gegenwart. Positive Erwartungen an die Zukunft. Das, worauf es ankommt.

Es spielt keine Rolle für mich, ob ich »bunt« bin oder nicht

»Wer von unten kommt und sich nach oben kämpft, oder zumindest in die Mitte, hat mehr gesehen und erfahren als jene, die immer schon dort waren, wo sie sind«, schreibt Ulf Poschardt in MÜNDIG sehr treffend.

Aus einem Akademikerhaushalt komme ich nicht. Spielte das eine Rolle für mich? Nein. Ebenso wenig, ob ich »bunt« bin oder nicht. Gibt Wichtigeres. Menschen, die andere unterstützen, entwickeln, zusammen etwas erreichen wollen. Den Fokus auf das Ziel legen, nicht auf die Herkunft. Es geht um den eigenen Weg, den man gehen muss. Um die Strecke nach vorn, aber auch nach oben.

Oder wie Capital Bra sagt: »Ihr könnt mich nicht verändern. Nein, ich lass' mir nix sagen von Blendern. Ich mach' den Scheiß hier nicht seit gestern.«

Mal ehrlich, wo leben wir hier? Im liberalsten und offensten Deutschland, das wir kennen. In einem Land, indem die Helden der Gegenwart Özlem Türeci und Ugur Sahin heißen, weil sie den heißesten Scheiß des Jahres entwickelten.

Dieser Beitrag ist in taz FUTURZWEI N°17 erschienen.

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