Grillen zirpen auf Feldern

Das Feldkino auf dem Tempelhofer Feld startet mit Berliner Filmkunst. Den Anfang macht der Dokumentarfilm „Wild Relatives“ über globale Saatgutbanken

Von Julia Hubernagel

Es ist ein recht spartanisches Kino, was da nahe dem Osteingang auf dem Tempelhofer Feld aufgebaut ist. Die Leinwand ist mit Bändern zwischen zwei Bäume gespannt, auf einem wackeligen Klapptisch steht der Laptop, der den Film abspielt. Seit sechs Jahren gibt es das Feldkino nun schon, das immer mittwochs in den Sommermonaten kostenlos Filme von Berliner Fil­me­ma­che­r:in­nen auf dem ehemaligen Flugfeld zeigt.

Mit „Wild Relatives“ (2018) startete das Feldkino in die diesjährige, etwas spät begonnene Saison mit einem nachdenklichen, langsamen Film. Regisseurin Jumana Manna folgt dem Umzug der Icarda-Saatgutbank von Syrien in den Libanon, die wegen des Bürgerkriegs ihren Standort wechseln musste. Icarda gelangte zu größerer Bekanntheit, als das Unternehmen Saatgut in den „Global Seed Vault“ überführt hat, jenen Speicher auf der norwegischen Insel Spitzbergen, in dem Pflanzensamen aus der ganzen Welt lagern, um bei einer Katastrophe das Überleben der Menschheit zu garantieren. Im Idealfall bleiben diese Samen dort ungenutzt, doch erstmals wurden wegen des Umzugs von Icarda Samen aus Norwegen in den Libanon transportiert, um dort reproduziert zu werden und eine neue Saatgutbank aufzubauen.

„Wild Relatives“ wechselt zwischen den Ländern, dem beschaulichen Norwegen und libanesischen Feldlandschaften, hin und her. Filmemacherin und Künstlerin Manna kennt beide Staaten gut, hat in Oslo studiert und einige Jahre in Beirut gelebt. Aufgewachsen ist sie im palästinensischen Teil Jerusalems und wohnt seit acht Jahren in Berlin. Für „Wild Relatives“ hat sie sich viel Zeit genommen, erzählt Manna, die bei der Filmvorführung anwesend ist.

Ein Jahr habe sie mit den Feldarbeiterinnen verbracht, die als syrische Geflüchtete im Libanon auf eine ungewisse Zukunft warten. Es sind schöne naturalistische Bilder, die Manna von den jungen Frauen zeigt, die, das Kopftuch über Hüte gewickelt, gemeinsam lange dünne Zigaretten inmitten des Weizens rauchen. Wie sich unter der levantinischen Sonne Hände in die Erde bohren, Samen gereinigt werden, das vermischt sich an diesem Abend in Neukölln stimmungsvoll mit dem Zirpen der Grillen und dem Surren der Mücken auf dem Tempelhofer Feld.

Was „Wild Relatives“ vor allem zeigt, ist die Verwundbarkeit, die trotz aller Hightech, trotz aller Erfindungen den Menschen weiterhin ausmacht. Genetisch sind unsere Getreidesorten längst erforscht, und trotzdem kann ein Krieg, ein Bürgerkrieg und der Einmarsch einer Terrororganisation den Fortbestand der einen Samen-Genbank ernstlich gefährden. Gepflanzt und geerntet werden die Samen auf den libanesischen Feldern zudem trotzdem immer noch von Hand, bevor sie irgendwann in schwarzen Kisten in Norwegen ankommen.

Überhaupt, Norwegen, Spitzbergen, das so gänzlich fernab von internationalen Kriegen liegt, zeigt sich so friedlich, es wirkt schon fast absurd. Man mag gar nicht glauben, dass sich unter diesen grünen Hängen, die im Winter meterhoch von Schnee und Dunkelheit bedeckt sind, große Lagerhallen in der Erde verbergen, im Permafrost, dort, wo früher Kohle gegraben wurde.

Doch Manna, die nicht nur Filmemacherin, sondern auch Künstlerin ist, erzählt ihre Geschichte ohnehin lieber mit Farben als mit Informationen, das wird vor allem anhand der Landschaftsbilder deutlich. Mit der Wechselwirkung zwischen reichen und armen Staaten beschäftigt sich die 34-Jährige auch multimedial. Aktuell sind ihre Skulpturen Teil einer Ausstellung zu Restitution, Rehabilitierung und Entschädigung in der ifa-Galerie.

Feldkino, immer mittwochs um 21 Uhr, Tempelhofer Feld, Osteingang