Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Entweder wir glauben, dass der Terror den Islam als Rechtfertigung missbraucht, oder wir spielen Religionskrieg. Die Terroristen wird’s freuen. Und VW ist ein erfolgreicher Konzern, trotz – oder gerade wegen – seines Betriebsrats

Für neoliberale Dogmatiker wäre auch schlechtes Wetter oder „Meine Frau hat Migräne“ ein Argument gegen Arbeitnehmerrechte

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Nachricht vom Tode Peter Boenischs und eine jener Lügenschlagzeilen, deren er sich zuletzt geschämt hat, direkt nebeneinander auf dem Titel der Bild.

Was wird besser in dieser?

Nix! Wenn’s so sommerlich bleibt, wie’s ist, bin ich aber mal sehr zufrieden.

Nach den Anschlägen von London hörte man in Deutschland mehr oder minder offen: Wie gut, dass wir nicht im Irak sind. Ist das unmoralisch?

„Wir“ sind in Afghanistan. Ob das moralisch ist, wird die Geschichte richten. Der moralisch korrekte Reflex, man möge doch bitte auch in Deutschland irgendeinen Massenmord verüben, damit wir nicht so heuchlerisch aussehen, wäre die unmenschlichste Denke. Am Ende des Tages sagt die spezifisch deutsche Erfahrung mit Terror, dass Kinkel-Initiative und der Verzicht auf Eskalation unter allen schlechten Wegen der wirksamste war.

Hat die deutsche Politik angemessen auf London reagiert?

Schilys „Es gibt auch hier eine latente Gefahr, jedoch keine akute“ wurde allgemein als besonnen wachsam bewertet.

Werden die Attentate dem Kanzler nutzen?

Nein.

Nun wird der Ruf laut, dass sich die Muslime in Deutschland distanzieren sollen …

Ich erinnere mich keines Rufes an die deutschen Katholiken, sich vom Bombenterror in Nordirland zu distanzieren. – Entweder glauben wir die These, dass Terror, der in diesem Falle den Islam als Rechtfertigung missbraucht, tatsächlich nichts mit der Religion zu tun hat. Oder wir lassen mit oben genannter Forderung die Hose runter und spielen Religionskrieg, was die Terroristen freuen dürfte.

Rot-Grün versucht der Linkspartei und vor allem Lafontaine ein Drecksimage anzuheften, nahe bei der NPD. Wird das funktionieren?

Schönbohm jetzt rot-grün ? Aber die SPD hatte durchgängig – vom Reichswehrminister Noske an, der Arbeiteraufstände niederkartätschen ließ – eine reaktionäre Law-and-Order-Ader. „Republikaner“-Wähler im Ruhrgebiet kamen entlang der Melodie „Unter Helmut Schmidt konnten Frauen nachts noch unbehelligt in den Stadtpark gehen“ direkt von der SPD nach rechtsaußen. Darin ähnelt diese Vorschröder-SPD der Blockwart-Senioren-Gemeinschaft PDS. Solange Lafontaine diese Hooligans für die SPD bespaßte, hat das keinen gestört.

Die Bündnisgrünen haben ihren Parteitag hinter sich. Links, modern und ökologisch wollen sie sein. Ist die Oppositionrolle, die ihnen so gut wie sicher bevorsteht, eine Chance?

Daniel Cohn-Bendit hat in dieser Zeitung schon vor Jahren betrauert, dass die Grünen ihre genuine next generation – Globalisierungskritiker, Attac – teils verschlafen, teils aus Regierungsdisziplin verprellt haben.

Merkel will heute das CDU-Wahlprogramm vorstellen. Wird die Union sich trauen, zu sagen, welche Zumutungen sie plant?

Bei der Mehrwertsteuer – offenbar. Die MPs bekommen einen geminderten Beuteanteil und Merkel Handgeld für die Kopfpauschale. Das Kernthema „gesellschaftlicher Rückwärtsgang“ wird sich hinter bauschigen Floskeln verbergen und ist seiner Natur nach auch nicht dingfest ankündigend zu formulieren.

VW-Personalchef Peter Hartz hat, passend zum rot-grünen Untergang, seinen Rücktritt wegen der Betriebsrataffäre angeboten. Ist die Affäre ein Argument gegen das VW-spezifische, sehr weitgehende Mitbestimmungsmodell?

Die Idee, von Belegschaftsseite habe ein Mönchsgeschwader den Lebemenschen vom Vorstand gegenüberzusitzen, ist ein bizarrer Scherz vom Golfplatz. Für neoliberale Dogmatiker wäre auch schlechtes Wetter oder „Meine Frau hat Migräne“ ein überzeugendes Argument gegen Arbeitnehmerrechte. Volkswagen ist ein erfolgreiches Unternehmen, das weniger mitbestimmte Opel-Werk Bochum hat soeben große Teile der Belegschaft waidgerecht erlegt. Kann man auch so rum lesen.

Und was macht die Tour de France ?

Das Fernsehen unverzichtbar.

FRAGEN: STEFAN REINECKE