piwik no script img
taz logo

Archiv-Artikel

Unsolidarisches Programm Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Kopfpauschale kommt nicht – das ist die implizite Nachricht. Offenbar hat CDU-Chefin Angela Merkel auf ihr Lieblingsprojekt verzichtet. Irgendwann muss sie eingesehen haben, dass es bei den Bürgern nicht gut ankommen würde, wenn Sekretärinnen und Manager den gleichen Beitrag in die Krankenkasse einzahlen. Zu tief wäre das Gerechtigkeitsempfinden verletzt.

Offiziell hat sich bei der CDU zwar niemand von der Kopfpauschale verabschiedet, dennoch ist der Rückzug der Angela Merkel offensichtlich: Er ergibt sich zwingend aus den neuesten Ideen der Union. Denn zum Konzept Kopfpauschale gehörte immer, dass die Beiträge für die Kinder aus Steuern finanziert werden sollten. Dafür fehlt jetzt das Geld. Die Mehrwertsteuer soll zwar steigen – aber um den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zu senken.

Dieses Kompensationsgeschäft ist wahltaktisch durchaus raffiniert. Denn irgendetwas muss bei der Bundesagentur für Arbeit passieren, damit der Unionsslogan „Vorfahrt für Arbeit“ plausibel wirkt. Real allerdings lässt sich bei der Behörde nicht viel ändern, sorgen doch schon die letzten Arbeitsmarktreformen namens Hartz IV für kaum zu kontrollierendes Chaos. Da ist es für die Union praktisch, so zu tun, als würde sie Arbeit schaffen, indem sie die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung senkt.

Es ist durchaus umstritten, ob es überhaupt Stellen schafft, die Beiträge für die Sozialversicherungen zu mindern. Aber wenn – dann hätte die Union genauso gut den Steueranteil an den Renten erhöhen können. Der reale Effekt wäre der gleiche gewesen, nicht jedoch der psychologische. In Deutschland steckt der Glaube tief, dass derjenige Arbeit schafft, der neue Regelungen für die Arbeitsagenturen erfindet. Daran sind schon die Hartz-Reformen gescheitert.

Die Programmhampelei der Union könnte lustig sein – doch dahinter verbirgt sich eine radikale Stringenz. Ob Kopfpauschale oder das Kompensationsgeschäft Mehrwehrsteuer/Arbeitslosenversicherung: Stets will die Union jene Systeme erodieren, die die Bürger entsprechend ihrem Einkommen belasten. Die Union, angeblich Volkspartei, setzt auf Entsolidarisierung.

ULRIKE HERRMANN

taz zahl ich

Ihnen liegt die taz am Herzen?

Dann hätten wir eine Bitte: Unterstützen Sie uns mit einem freiwilligen Beitrag! Denn wir sind auf unsere Leser:innen angewiesen, wenn wir taz.de auch weiterhin frei zugänglich halten wollen. Mit nur 5,- Euro sichern Sie unseren Journalismus und die Zukunft der taz – sind Sie dabei?