piwik no script img

Archiv-Artikel

kritik der woche Schönheit schützt vor Blödheit nicht

Schönheit liegt im Trend. Sie ist Thema der Evolutionsbiologie, Psychiatrie, Chirurgie. Und auch der Kunstbetrieb feiert sie wieder: „Keine Angst vor Schönheit“ titelte im Herbst eine Schau im Bremer Marcks Haus, in Berlin hat man sich ihrer im März angenommen. Und jetzt meldet sich die Städtische Galerie Delmenhorst zu Wort.

Nein, das ist kein Hinterwäldler-Scherz: Direktorin Barbara Alms hat längst bewiesen, dass man auch im Ödland relevante Kunst-Fragen stellen kann. So fanden ihre Ausstellungen „Wirklichkeit in der zeitgenössischen Malerei“ und „unHeimlich“ zurecht internationale Beachtung, weil sie sehr früh auf die Rückkehr des Gegenständlichen in der Kunst hinwiesen. „Schönheit der Malerei“ knüpft daran an, läuft bis Ende Oktober und ist ein Reinfall.

Das liegt daran, dass nicht verstanden wurde, warum sich heute die Frage nach Schönheit stellt: Kein Versuch einer Begriffsklärung, kein Wort über das Diskriminierungs- oder Terror-Potenzial von Schönheit. Stattdessen raunende Negativbestimmungen à la „das Schöne ist nicht hübsch“, für die der Kunstkritiker Peter Schjedahl ebenso bemüht wird wie für Möchtegern-Thesen, nach denen das Schöne „anfallsgleich über uns“ kommme und „stets zwei“ – warum denn nicht drei? – „extreme Empfindungen“ verbinde – Geblubber, das als Background für Schmink-Tipps hinreichen mag. Nicht aber fürs Kuratieren einer Ausstellung.

Die Folge: Bunte Beliebigkeit. Die jüngste Position, das sind Isabelle Dutoits pastelltönende Kolossalformate mit liegenden Unterwäscheträgerinnen und fotorealistischen Rehen. Laut Alms hat sich die Künstlerin für unfähig erklärt, etwas Hässliches zu malen – ein gravierender Irrtum. Als Star firmiert der einen späten Hype erlebende US-Maler Alex Katz, Jahrgang 1929, mit sauber gearbeiteten Gelbverläufen samt Frauenrückenansicht. Dazwischen: Anton Henning, der schnoddrige Einzel-Tableaus um ein hingeschlunztes Sammler-Kabinett zur ironischen Installation drapiert. Interessant. Und witzig. Aber das Komische gehört, kunsttheoretisch, so wie das Hässliche, zum Erhabenen. Das ist der Gegenbegriff des Schönen. „Im 20. Jahrhundert fällt das zusammen“, behauptet Alms. Dann wäre das Schöne das Hässliche, und der Schönheit eine Ausstellung zu widmen nur noch eins: Schön blöd.

benno schirrmeister

Schönheit der Malerei, bis 23. Oktober