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Archiv-Artikel

Keiner veröffentlichte das Airport-Todesurteil

Seit Monaten kursiert unter Experten ein Gutachten, das die Grünen-Kritik am Großflughafen stützt. Dass die taz es nicht veröffentlichte, hat einen einfachen Grund: Niemand weiß, woher es stammt. Die Geschichte einer Recherche

Kritische Informationen können eine enorme Durchschlagskraft entfalten, wenn es um ein Milliardenprojekt wie den geplanten Großflughafen in Schönefeld geht. Nimmt man die gestern veröffentlichte Kritik der Grünen ernst, bedeutet sie das Todesurteil für die derzeitige Planung. Der taz liegt seit Wochen ein Gutachten vor, das ihre Argumente teilt und stützt.

Dass wir Informationen aus dem Papier mit dem Titel „Anmerkungen zur Ausbauplanung und Finanzierung des Flughafens Schönefeld“ bisher nicht veröffentlicht haben, hat einen einfachen Grund: Es ist unklar, woher es stammt.

Das Gutachten rechnet auf zwölf Seiten detailliert und sachlich fundiert mit den Planern des Flughafens Berlin-Brandenburg International ab. Das Projekt sei Anfang der 90er-Jahre viel zu groß geplant worden und entspreche nicht mehr heutigen Bedürfnissen, sprich: Die Niederlage vor Gericht – gemeint ist die für kommendes Frühjahr angekündigte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über das Planfeststellungsverfahren – sei nicht unwahrscheinlich.

Das Papier wäre, kurz vor diesem entscheidenden Urteilsspruch, eine Fundgrube für jeden Journalisten. Neben der taz lag es auch anderen Redaktionen vor. Auch sie scheuten die Veröffentlichung, weil die Quelle ungeklärt ist. Den einzigen Hinweis auf die Herkunft liefert das Kürzel „B.A.C.“, das auf dem Titelblatt und im Seitenkopf vermerkt ist.

Entsprechend dünn ist bisher das Medienecho. Das Wirtschaftsmagazin Capital brachte in der Ausgabe 10 dieses Jahres eine kurze Meldung mit den wichtigsten Fakten des Gutachtens, das auf Dezember 2004 datiert ist. Es fälle „ein vernichtendes Urteil“ über die Pläne von Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD), so das Fazit des Magazins. Erstellt habe das Papier eine „Unternehmensberatung BAC“, schreibt die Zeitschrift weiter, ohne mögliche Auftraggeber zu nennen. Ein Artikel in der Berliner Zeitung vom 28. April zitiert die Capital-Meldung.

Es gibt nur wenige Unternehmensberatungen in Deutschland, die unter dem Kürzel BAC firmieren. Die BAC Consulting in München etwa erstellt Strategien für Existenzgründer. Ein Projekt wie Schönefeld scheint aber eine Nummer zu groß für die Firma zu sein. Geschäftsführer Nicolai Bader streitet jede Kenntnis des Gutachtens ab.

Die B.A.C. Bau- und Anlagenconsult hat Büros in Berlin, Leipzig, Dresden und Bielefeld. Auf Anfrage räumte Geschäftsführer Gerd Barleben zwar ein, schon mal Aufträge für die hiesige Flughafengesellschaft zu Schönefeld bearbeitet zu haben. Das ominöse Gutachten aber habe man nicht erstellt. „Wir wären selbst interessiert, zu erfahren, wer unter unseren Initialen Informationen verbreitet“, so Barleben. Auch im Bundesverkehrsministerium weiß man nichts von dem Papier. „Es ist uns nicht bekannt und stammt definitiv nicht aus unserem Haus“, sagte Sprecher Michael Zirpel.

Wem nutzt das Gutachten? Die meist hilfreiche Frage ist bei dieser Quellenrecherche nicht von Nutzen. Es sind schlicht zu viele. Ob Flughafengegner, politische Opposition oder Konkurrenten auf dem Markt: Jede Menge Personen haben ein Interesse an fundierten Argumenten gegen den Großflughafen – ohne sie gleich veröffentlichen zu wollen. Bei den Flughafengesellschaften von Leipzig und München etwa äußere man sich generell nicht zur Ausbauplanung der Konkurrenz, sagten Sprecher.

Ein Vorwurf verliert beträchtlich an Stoßkraft, wenn niemand weiß, von wem er kommt. Es ist ein Unterschied, ob eine Bürgerinitiative Internetdaten zusammenschreibt oder ob sich unabhängige Uniwissenschaftler mit einem Thema beschäftigen. Die Berliner Flughafen-Gesellschaft wusste sehr wohl von der Existenz des Gutachtens, sah aber bisher keine Notwendigkeit, sich zu „einem völlig anonymen Papier“ zu äußern, so ein Sprecher. Das gilt jetzt nicht mehr – auch wenn es über den Umweg der Argumentationen der Grünen passieren muss. ULRICH SCHULTE