: Sowjetisches Ergebnis für neuen Präsidenten
Kirgisiens Interimsstaatschef Bakijew siegt mit 88 Prozent bei Präsidentenwahlen. OSZE bezweifelt hohe Beteiligung
BISCHKEK taz ■ Die ersten Wahlen nach dem Klanputsch im Frühjahr in Kirgisien endeten mit einem sowjetischen Ergebnis. Der geschäftsführende Präsident Kurmanbek Bakijew erhielt 88,65 Prozent der Stimmen in dem zentralasiatischen Land an der chinesischen Grenze. Die Wahlbeteiligung kämpfte am Sonntag bis 17 Uhr mit der magischen 50-Prozent-Hürde, die für die Gültigkeit des Urnengangs nötig war, um dann bis 21 Uhr nach den Angaben der Zentralen Wahlkommission auf stolze 74 Prozent der Stimmen hochzuschnellen.
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Kirgisien bezweifelten, dass es bei der hohen Wahlbeteiligung mit rechten Dingen zugegangen sei. „Wir haben Verstöße bei der Zusammenstellung der Wählerlisten und bei der Stimmauszählung festgestellt“, erklärte der OSZE-Delegationschef Lubomir Kopai gestern während einer Pressekonferenz in Bischkek.
Ansonsten gaben sich die OSZE-Wahlbeobachter sichtlich Mühe, die demokratischen Fortschritte der vorgezogenen kirgisischen Präsidentschaftswahlen zu loben, die nach der kopflosen Flucht des vorherigen Präsidenten Askar Akajew für den 10. Juli angesetzt wurden. „Die Wahlen haben in einem pluralistischen Umfeld stattgefunden. Dieses Mal ist es weder zu den sonst üblichen Stimmenkäufen gekommen, noch haben die administrativen Ressourcen einen direkten Einfluss auf den Wahlgang gehabt“, zählt Kopai die deutlichen Verbesserungen zu den vorherigen Wahlgängen in Kirgisien auf. Gleichwohl wären die offensichtlichen Manipulationen bei der Wahlbeteiligung ein Grund zur Sorge.
Nach dem kirgisischen Wahlgesetz muss zur Gültigkeit eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent vorliegen. Kopai zeigte sich aber überzeugt, dass die Wahlbeteiligung auch ohne Manipulationen wohl über der 50-Prozent-Marke gelegen hätte. Nach Regierungsschätzungen arbeiten über 400.000 Kirgisen illegal im Ausland, meist in Russland und Kasachstan, die aber weiterhin im Wählerverzeichnis stehen. Dies schließt eine Wahlbeteiligung bei 2,5 Millionen Wählern von 74 Prozent schlicht mathematisch aus.
Nur eine geringe Wahlbeteiligung hätte die Präsidentschaft Bakijews noch kippen können. Der eigentliche politische Widersacher Bakijews, Felix Kulow, hatte sich schon im Vorfeld der Wahlen auf eine Tandemlösung mit Bakijew geeinigt, die ihm im Falle des Wahlsieges den Posten des Premierministers zusicherte. Damit war die Wahl gelaufen, und die anderen sechs Kandidaten um das Amt des Präsidenten kandidierten bei dem Urnengang allein für die Tribüne.
Felik Kulow kommt aus dem Norden und wird von den dortigen Klans unterstützt, während Bakijew ein Repräsentant der südlichen Klans ist, die aufgrund des Umsturzes im Frühjahr seit gut 50 Jahren das erst Mal wieder die Führungselite des Gebirgsstaates in Zentralasien stellen.
Kulow machte noch am Wahltag klar, dass er die Einhaltung der Tandemlösung einfordere: „Vertrag ist Vertrag.“ Und Bakijew nutzte die erste Pressekonferenz, um Kulow den versprochenen Posten auch zuzusichern. Gleichzeitig kündigte er an, die Präsenz von US-Truppen in Kirgisien diskutieren zu wollen.
Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Politikern wird den Anfang der Präsidentschaft von Kurmanbek Bakijews bestimmen. Schon jetzt sind Klagen zu hören, dass Bakijew bei der Postenvergabe die südlichen Klans sichtlich bevorzuge. Die OSZE-Bedenken zu den Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung ficht den neu gewählten Politiker nicht an. „Die Wahlen waren demokratisch, und es gab keinerlei Fälschung.“
Die Protestbewegung, die Bakijew im Frühjahr an die Macht brachte, richtete sich anfänglich gegen die Wahlfälschungen bei den Parlamentswahlen. Damals hatten Bakijew und die anderen Oppositionsanhänger den kritischen OSZE-Bericht zu den Wahlen wie eine Monstranz vor sich her getragen.
MARCUS BENSMANN