: Sexual-Erziehung ist Bundessache
BILDUNG Die SPD macht sich in der Bürgerschaft auf die Suche nach einem neuen „Leitfaden zur Sexualerziehung“. Die Bildungssenatorin bleibt dabei: Das Projekt ist beerdigt, Material gibt’s beim Bund
E. Maslon, BZgA-Referatsleiterin
Nach jahrelangem Warten auf eine Erneuerung des „Leitfadens zur Sexualerziehung“ geht es nun schnell: Noch vor den Sommerferien solle ein Informations-Schreiben an die Schulen gehen, sagt die Sprecherin der Bildungssenatorin, Karla Götz. Darin wird, wie schon berichtet, kein neuer Leitfaden vorgestellt, vielmehr soll auf eine Schriftenreihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema verwiesen werden. „Die Schulen werden auch auf externe Beratungsstellen hingewiesen, die sollen ausdrücklich mit einbezogen werden“, sagte Götz zur taz.
Dass es keinen neuen Leitfaden geben wird, werde Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) auch nächste Woche der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft antworten – und damit wohl auch die eigenen Parteigenossen enttäuschen: Die fragen, wo der neue Leitfaden bleibt und ob die Auffassungen etwa über Homosexualität dann auf den neusten Stand gebracht werden.
Denn der alte Leitfaden von 1987 sollte längst überarbeitet sein (siehe taz 15. 6.). Homosexualität wird darin noch als Abweichung von der Norm beschrieben, in deren Zusammenhang Promiskuität und AIDS erklärt werden soll, Liebe aber nicht vorkommt. Eine andere Zeit eben – Paragraph 175, der Sex zwischen Männern unter Strafe stellte, wurde erst 1994 endgültig aus dem Gesetzbuch gestrichen. 2006 versprach der damalige Bildungssenator Willi Lemke (SPD) der Bürgerschaft eine Überarbeitung.
Karla Götz nun hält die Diskussion um den Leitfaden für einen „Streit über ein Luftgebilde“: „Die Lehrer sind ausgezeichnet, ob ein Leitfaden fehlt oder nicht.“ Der Sexualunterricht sei seit 1987 auf einem hohen Niveau.
Das aber ist für Harry Eisenach, Stadtverbandssprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, nicht naheliegend: „Man braucht einen Leitfaden, der von der Behörde abgedeckt ist“, so Eisenach, „damit Lehrer sich darauf beziehen können, wenn Eltern nicht möchten, dass ihre Kinder am Unterricht teilnehmen.“ Das komme immer wieder vor. „Die Eltern haben eine unterschiedliche ethnische Herkunft, manche sind fundamental christlich oder islamisch.“ Da würden die LehrerInnen leicht als die gelten, die die Kinder verderben wollen. Die Rahmenbedingungen für den Unterricht seien auch wichtig, weil unter den LehrerInnen selbst manche mehr verklemmt und manche offener seien. „Ich frage mich, ob die Behörde Angst hat, mit religiösen Vereinigungen Ärger zu bekommen“, so Eisenach.
Dieses Gerücht kam schon öfter auf und löst aber eher Überraschung aus: Die katholische und evangelische Kirche, die islamischen Verbände Ditib und Schura – sie alle haben sich bislang nicht in die Diskussion eingemischt und stimmen darin überein, dass ein Leitfaden ohnehin Sache der Bildungsbehörde sei.
2008 hatte sich eine Arbeitsgruppe um eine Neufassung bemüht. „Die Senatorin war mit dem Entwurf nicht zufrieden“, erklärt Karla Götz. „Es gab zu viele Akteure, die verschiedene Interessen vertreten.“ Vertreter von der Gesundheitsbehörde, ProFamilia, Schattenriss waren beteiligt, auch von Rat & Tat. Dessen Mitarbeiter Bernd Thiede kann nicht nachvollziehen, dass die Bemühungen völlig umsonst gewesen sein sollen. „Ich verstehe das nicht, ohne neuen Leitfaden gilt doch weiterhin der alte“, so Thiede.
Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) möchte man die Entscheidung, in Bremen ausschließlich auf die BZgA-Schriften zu setzen, nicht kommentieren. Eveline Maslon, BZgA-Referatsleiterin für Gesundheitserziehung in Schulen, sagt aber zur taz: „In jedem Heft ist ein Hinweis, in die eigenen Richtlinien zu schauen. Die Lehrer müssen schon den Unterricht nach ihren Lehrplänen ausstatten.“ Ohnehin gibt es bislang nur Heft 1 einer neunteilig geplanten Reihe. 2016 soll sie komplett sein. JPB