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Durchlässig wie eine Membran

Data-Pop trifft auf Klangkunst. Das Duo Random Orchestra hat sein Debütalbum veröffentlicht

Von Thomas Winkler

Wo sind wir hier? Ein Flur, grün gestrichene Wände, karierter Linoleumboden. Ein paar Stellwände, mehrere Ventilatoren, an der Seite eine Pinnwand, an der anderen das Bild eines älteren Mannes. Könnte eine Schule sein. Die POV-Sicht biegt ab, ein länglicher Raum mit mehreren grauen Schreibtischreihen, Bildschirmen und Bürostühlen. Vielleicht eher eine Forschungseinrichtung, was mit Chemie oder Biologie? Hinter einer Seitentür lange Regale mit Kassetten? Dateien? Eine Videothek? Daneben: Museumswände mit großen Ölgemälden. Hinter der Notausgangtür: bloß Bildschirme.

Der Videoclip zu „Atria“, der aktuellen Single des Random Orchestra, bedient sich der üblichen Computerspiel-Ästhetik, um einen in ein verwirrendes Labyrinth aus ­Assoziationen, Querbezügen und falschen Fährten zu locken. Dass dazu ein schicker Beat tröpfelt und eine Frauenstimme davon singt, dass sie tiefer blicken müsste, um zu sehen, was andere fühlen, kann man beim Zusehen fast vergessen, auch wenn auf den vielen Bildern, die an den Wänden hängen, immer wieder neue Gesichter die Lippen zu den Gesangslinien bewegen.

Sehen und Hören

Sagen wir, wie es ist: Die Musik spielt beim Random Orchestra eher eine Nebenrolle. Denn das Duo, das eben sein Debütalbum „Membrane“ heraus gebracht hat, besteht eben nicht nur aus dem DJ und Produzenten Oliver Gehrmann, sondern auch aus dem Medienkünstler Xaver Hirsch. Auf Yotube sind bislang Videoclips zu drei Stücken des Albums zu sehen. Noch wichtiger aber, sagen die beiden, werden die audiovisuell anspruchsvollen Liveshows, die sie hoffentlich bald werden spielen können.

Ob das erst vor Kurzem entstandene Projekt weiß, dass sein Name eigentlich schon besetzt ist und die ebenfalls in Berlin beheimateten Nick Grey & The Random Orchestra schon seit bald zwei Jahrzehnten Musik machen? Vermutlich, googeln kann ja schließlich jeder, und wer wie Hirsch an der Berliner Universität der Künste Visuelle Kommunikation studiert hat, der sollte erst recht wissen, wie so ein Gesamtkunstwerk auf allen Kanälen präsentiert wird. Zusätzlich war Hirsch auch im Studiengang Art in Context eingeschrieben. Dort gelehrt wird „eine erweiterte Kunstpraxis, die an künstlerischen wie wissenschaftlichen Fragestellungen mit Blick auf aktuelle Diskurse, Praktiken und deren sozialen, formengeschichtlichen, medialen und politischen Rahmenbedingungen orientiert ist“. Oder, etwas kürzer: irgendwie alles. Was man wiederum auch sagen könnte über die Musik auf „Membrane“.

Auch der Titel weist darauf hin: Durchlässig wie eine Membran für nahezu alle Einflüsse sind die Tracks. Der Trip-Hop von „Atria“ wird immer wieder durch seltsame Geräusche aufgebrochen. Es klöppelt und knistert, Data-Pop trifft auf Klangkunst. Ausgerechnet das Stück mit dem Titel „Still“ entwickelt sich von einer plätschernden Betrachtung zu einer funky Spielerei, die bei konsequenter Weiterverfolgung als Sommerhit hätte enden können, bevor es dann doch tatsächlich auf dem Dancefloor endet mit einem Techno-Beat, der von Vocal-Samples und rotierend-jubilierenden Synthie-Flächen flankiert wird.

Ja, auch das wirkt mitunter wie eine Suche in einem verwinkelten Computerspiel-Szenario, durch das man sich Raum für Raum, Genre für Genre, rätsellösend und knobelnd hindurch tastet. Die Stimmungen wechseln, von apokalyptischen Visionen führt der Weg in freundlich-kuschelige Klanglandschaften, elektronische Sounds stehen friedlich neben organischen Instrumenten und Field Recordings. Es sind Stücke, auf die man sich einlassen kann und sollte, die einen mitnehmen auf eine Reise, die aber auch nicht so konfus und anstrengend sind, dass sie nicht auch im Hintergrund laufen und eine Nebenrolle übernehmen könnten, wenn auch eine gewichtige.

Random Orchestra: „Membrane“ (Teleskop)

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