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Archiv-Artikel

Premiere auf grünem Teppich

FILM Die Weltklimawoche der UN startet mit dem Doku-Drama „The Age of Stupid“. Der Film behandelt ein Ökothema und ist ökologisch produziert

BERLIN taz | Wie viele Dokumentarfilmer ist Franny Armstrong eine Überzeugungstäterin. Mit „The Age of Stupid“ hat die britische Regisseurin nicht nur einen Film über die menschliche Mitwirkung am Klimawandel gemacht. Sie zeigt auch, dass selbst ein in sieben Ländern gedrehter Streifen klimafreundlicher zu produzieren ist als derzeit üblich. Am diesem Montag findet die Welturaufführung des Doku-Dramas deshalb im Rahmen der UN-Weltklimawoche in New York statt.

„The Age of Stupid“ spielt im Jahr 2055, die Erde ist verwüstet: London überflutet, Sydney in Flammen, Las Vegas versandet. In einem bohrturmähnlichen Archiv hoch über dem längst eisfreien arktischen Ozean bastelt der letzte Überlebende, gespielt von dem britischen Schauspieler Pete Postlethwaite, eine Botschaft fürs Weltall zusammen. Sie soll erklären, wie sich die Menschheit selbst ausrottete. Dafür nutzt er echtes Nachrichtenmaterial diverser Fernsehsender und kommentierende Animationsfilme und entdeckt dabei sechs reale Lebensgeschichten, die zusammen eine Idee davon vermitteln, warum es zum Kollaps kommen konnte: unter anderem einen betagten Bergführer in den französischen Alpen, der jahrzehntelang auf das Schmelzen der Gletscher hinwies, und einen indischen Geschäftsmann, dessen Traum es war, mit einer Billigfluglinie täglich eine Million Inder zu transportieren.

Nicht minder bemerkenswert sind die Umstände, unter denen der Film produziert wurde. Wo immer es ging, nutzten Armstrong und ihr Team vor allem Bahnen, Busse, Schiffe und Fahrräder. Sie bezogen ihre Energie aus erneuerbaren Quellen und verzichteten sogar weitgehend aufs Heizen der beiden Büros. Auch so kam noch ein Ballon von 94 Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) zusammen – so viel wie 185 Heizpilze in einem Monat in die Atmosphäre pusten. „Dafür wird ‚Stupid‘ definitiv mehr fürs Klima tun als die heiße Luft“, sagt Armstrong. Um wie viel mehr andere Produktionen das Klima belasten dürften, wird schon daran deutlich, dass die offenbar doch noch unumgänglichen 48 Flüge allein einen Anteil von mehr als zwei Dritteln an der CO2-Bilanz von „Stupid“ ausmachten.

Um auch beim Verleih von „Stupid“ unabhängig zu sein, sammelte Regisseurin Armstrong Geld für das Projekt über sogenanntes Crowd Funding ein: Mit vielen kleinen Spenden von Einzelpersonen und Gruppen, die dafür am Gewinn beteiligt werden sollen, kamen 535.000 Pfund zusammen. „Graswurzel-Filmförderung“ nennt Armstrong das. Deshalb ist allerdings auch noch nicht sicher, ob der Film auch außerhalb von Programmkinos zu sehen sein wird.

Die Premiere soll zugleich öko und ein Megaevent werden, das ein Millionenpublikum weltweit für den Klimaschutz gewinnen kann. Die Veranstaltung wird live in rund 400 Kinos in die USA und zeitversetzt am Dienstag in mehr als 200 Kinos weltweit übertragen, in nicht beteiligten Ländern ist sie frei im Internet zu sehen. Zugleich ist man bei der Premierenfeier um ökologische Korrektheit bedacht: Das Kinozelt ist mit Solarstrom betrieben, es gibt einen „grünen Anreiseplan“ für den öffentlichen Verkehr, für Radfahrer und Fußgänger, keine Plastikbecher, nur Recyclingpapier. Selbst der rote Teppich ist grün – und aus alten Plastikflaschen hergestellt.

Regisseurin Armstrong hat in Großbritannien zuletzt die „Initiative 10:10“ gestartet. Wer mitmacht, verpflichtet sich, seinen persönlichen Kohlendioxidausstoß ab dem 1. Januar 2010 um 10 Prozent zu kürzen. Neben mehr als 10.000 Privatpersonen hat bereits das gesamte Kabinett unterschrieben. Auch Unternehmen gehören zu den Unterzeichnern. Ihnen macht es die Initiative übrigens weitaus leichter: Schon ein Cut von 3 Prozent soll anerkannt werden. „Wir wissen, dass viele progressive Unternehmen schon einschneidende Kürzungen vorgenommen haben, für sie wird es vielleicht schwer, ihren CO2-Ausstoß 2010 noch einmal um 10 Prozent zu verringern.“ BEATE WILLMS