: Dorfbewohner in Kongo lebendig verbrannt
Racheakt ruandischer Hutu-Milizionäre nach einer gegen sie gerichteten UN-Offensive im Osten des Landes
BERLIN taz ■ Mutmaßlich ruandische Hutu-Milizionäre haben im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein Dorf samt seinen Bewohnern angezündet. Die Zahl der Toten schwankte gestern zwischen 39 und 76. Der Angriff auf das Dorf Ntulumamba in der Provinz Südkivu erfolgte in der Nacht zum Sonntag. Die Milizionäre schlossen Frauen und Kinder in ihre Hütten ein und steckten diese dann in Brand, berichteten Überlebende.
Die UN-Mission im Kongo (Monuc) bestätigte nach einem Blitzbesuch per Hubschrauber 39 Tote, lokale Quellen sprechen von bis zu 76. „Da, wo die Hütten standen, ist nur noch Asche“, sagte laut einem Zeitungsbericht ein UN-Delegierter.
Das betroffene Dorf liegt am Rand des Nationalparks Kahuzi-Biega in der an Zinn, Gold und dem Tantalerz Coltan reichen Zone Kalonge. Seit 1996 ist diese Zone eine Hochburg ruandischer Hutu-Milizen. Unter dem Namen „Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR) kontrollieren die Milizen große Teile der Provinz Südkivu und begehen zahlreiche Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung.
Seit letzter Woche gehen die UN-Blauhelme im Ostkongo erstmals militärisch gegen die Milizen vor. Erst 400, später weitere 1.000 UN-Soldaten sind in FDLR-Gebiete in den Distrikten Walungu und Kabare vorgedrungen. Sie hoffen, radikale Fraktionen der FDLR zu isolieren. Zugleich hat Kongos Armee die Kontrolle über einige bisher von Milizen kontrollierte Bergbaugebiete übernommen.
Die Zone Kalonge war bisher nicht von der UN-Offensive betroffen. Die Angreifer, sagt Südkivus Provinzregierung, wollten die Bevölkerung dafür bestrafen, dass sie die UNO gegen die Milizen unterstützt. Die FDLR macht eine ihrer Abspaltungen für das Massaker verantwortlich.
Auch in der Nachbarprovinz Nordkivu wachsen Spannungen. Radikale Mayi-Mayi-Milizen, deren Kommandant „Jackson“ als Kriegsverbrecher berüchtigt ist, verjagten in der Nacht zum Montag die Armee aus der 30.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Nyamilima, in der bisher die unterschiedlichen Ethnien der Provinz friedlich zusammenlebten. Dies folgt auf Kämpfe zwischen Soldaten unterschiedlicher Volksgruppen mitten in der Provinzhauptstadt Goma am 30. Juni, bei denen sechs Menschen starben. Beobachter in Goma fürchten nun eine Rückkehr der ethnischen Gewalt der frühen 90er-Jahre, die schon damals, vor den großen Kongokriegen, in Nordkivu zehntausende Tote forderte. DOMINIC JOHNSON