: Verlorener Krieg führt zur Neuwahl in Armenien
Vorgezogene Parlamentswahl an diesem Sonntag: 25 Parteien konkurrieren um 101 Sitze
Zwei Jahre früher als geplant: Am kommenden Sonntag finden in der Südkaukasusrepublik Armenien Parlamentswahlen statt. Die vorgezogene Abstimmung war nötig geworden, nachdem der amtierende Regierungschef Nikol Paschinjan im April infolge des jüngsten Krieges zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach zurückgetreten war.
Die 44-tägigen bewaffneten Auseinandersetzungen – die Türkei mischte sich aufseiten Aserbaidschans ein – endeten am 9. November 2020 mit einem Waffenstillstand. Dieser war unter Vermittlung von Russland zustande gekommen. Laut des Abkommens verliert Armenien die Kontrolle sowohl über sieben Gebiete rund um Bergkarabach als auch über einen Teil der von Armenier*innen bewohnten Region selbst. 2.000 russische Soldaten sollen die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens absichern. Insgesamt wurden bei dem Konflikt bis zu 6.500 Menschen getötet. Zwischen 200 und 250 armenische Soldaten sollen noch in aserbaidschanischer Kriegsgefangenschaft sein bzw. gelten als vermisst. Aserbaidschan gibt die Zahl mit 70 an.
Die Kapitulation Jerewans, die viele Armenier*innen als Schmach empfinden, hatte eine innenpolitische Krise ausgelöst. Immer wieder waren Tausende auf die Straße gegangen und hatten den Rücktritt Paschinjans gefordert. Der 46-Jährige war 2018 im Zuge von Massenprotesten, der „Samtenen Revolution“, an die Macht gekommen und gilt als Hauptverantwortlicher für die militärische Niederlage.
Dennoch tritt er am Sonntag mit seiner Partei „Zivilvertrag“ erneut zur Wahl an. Außer ihm konkurrieren 25 weitere Parteien bzw. Bündnisse um die 101 Sitze, deren Anzahl sich durch Überhangmandate erhöhen kann. Es gilt das reine Verhältniswahlrecht. Eine Partei benötigt 5, ein Bündnis 7 Prozent, um ins Parlament einzuziehen.
Mit Levon Ter-Petrosyan, Robert Kotscharjan und Serg Sargsjan mischen auch drei ehemalige Staatschefs politisch mit. Levon Ter-Petrosyan ist Spitzenkandidat des „Armenischen Nationalkongresses“ und hat sich stets für einen Ausgleich mit Aserbaidschan eingesetzt. Robert Kotscharjan steht an der Spitze des Bündnisses „Armenien“ und saß seit 2018 mehrmals in Untersuchungshaft. Sersch Sargsjan, bei seinem Rücktritt am 23. April 2018 Premierminister, macht Wahlkampf für die bis zur Samtenen Revolution regierende Republikanische Partei. Barbara Oertel
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