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Selbstermächtigung der Feen

Zwischen Dream Pop und Underground: Auf „So Wrong“ unterfüttert Magic Island jetzt ihre Songs mit R&B

Von Julia Hubernagel

Pop, das Label bleibt Magic Island trotz aller R&B-Einschläge auch auf ihrem neuesten Album erhalten. Ihre Musik gilt als dem Underground zugehörig – aber geht das überhaupt, Underground-Pop? Überhaupt klingt Magic Islands Musik so sphärisch, dass man sie eher in den Wolken als in düsteren Kellern verortet. Auf dem gerade erschienenen zweiten Album „So Wrong“ singt Emma Czerny, wie die Wahlberlinerin und gebürtige Kanadierin heißt, gewohnt elfenhaft, mit hoher Stimme, Halleffekte verstärken das Entrückte noch. Gleich der Einstieg, „Intro“ macht klar, dass die Hörerin sich nun in die Elfenwelt begibt. „Step into our world“, singt Czerny, sirenengleich auf die magische Insel lockend, denn dass es dort zwar glitzert, aber auch nicht alles heile ist, wird schnell klar.

Bleibt man bei der Elfenparabel, sieht man beim Hören vor dem geistigen Auge das Feenrefugium entstehen, in das sich die verletzten Zauberwesen zurückziehen. Ihren Kummer singen sie leise vor sich hin, manchmal entlädt sich der Frust jedoch schwallartig. „I am not inventing this“, singt Czerny auf „Jeopardize“ und kurze Zeit später „I will fall apart again“, während im Hintergrund Sitar-Klänge den Untergang einläuten.

Doch bei purer Verzweiflung bleibt es nicht. Dass Magic Island auf ihrem Album eine Transformation durchläuft, verdeutlichen die beiden Songs „So Wrong“ und „So Right“. Ersterer ist als Titeltrack der deutlich bessere Song, doch der Text lässt auf ein angeschlagenes Ich schließen: „When you touch / Leaves me scarred / This is heaven / I’m your god / You’re not with me / Feels so wrong.“ Auf „So Right“ scheint diese Episode überwunden: „So good so right / I’d rather be alone tonight“, singt Czerny über einem deutlich schnelleren Beat. Als Hörerin durchlebt man diese Phasen, womöglich die einer gescheiterten Beziehung, mit.

Erinnerungen aufleben zu lassen, dafür steht das Album auch musikalisch. Czerny bedient sich auf „So Wrong“ im HipHop und R&B und nutzt dafür Synthieflächen und Drum Machines, die an längst vergangene MTV-Zeiten erinnern. Manche Songs klingen dabei so Old School, dass es eigentlich nur ironisch gemeint sein kann. „Give N Take“ etwa ist ganz Girlgroup-Pop der Jahrtausendwende, das deutet womöglich sogar die Orthografie augenzwinkernd an. Bei manchen Songs täuscht der Vintage-Einschlag jedoch nicht darüber hinweg, dass etwa „Shoot To Kill“ oder „Bury Me Alive“ über dünne Chartsongs nicht hinauskommen.

Wie viel Czernys Stimme tatsächlich hergibt, das zeigt sie auf „So Wrong“ selten. Czernys erster Single-Release liegt schon gute acht Jahre zurück, etwa so lange lebt die kanadische Musikerin schon in der deutschen Hauptstadt. Benannt nach einer längst weggentrifizierten Kneipe, der „Zauberinsel“, hat Czerny in Neukölln eine neue Heimat gefunden.

Dem Bezirk ist sie eng verbunden, das hört und sieht man etwa im Video zu „So Wrong“, in dem sie im Auto durch Neukölln heizt, im Hintergrund die Telefonstimme eines Mannes, der auf Deutsch mit arabischem Akzent seine Liebe beteuert. Zu ihrem Album-Release hat „Magic Island“ zudem die lokale Artscene eingespannt. Statt einer Release-Party gab es eine Art Kunstrundgang, bei dem verschiedene Künst­le­r:in­nen an Stationen im Bezirk die Songs des Albums multimedial interpretierten. Auch das Label, bei dem Czerny unter Vertrag steht, spricht für sich. „Mansions und Millions“ signt vor allem Neuköllner Musiker:innen, DJs und Bands. Ein Blick in die Plattenkiste lohnt: Musikalisch hat der Bezirk noch einiges zu bieten.

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