Zuhören und kritisieren

Au­to­r:in­nen tauschen sich in Briefen über Populismus aus

Michael Zichy/Jonas Lüscher (Hg.): „Der populistische Planet. Berichte aus einer Welt in Aufruhr“. C. H. Beck, München 2021, 191 S., 16 Euro

VonJulia Hubernagel

Als Zeitalter des Populismus wurde das aktuelle Jahrzehnt schon häufiger gehandelt. Dass es sich dabei um eine westlich geprägte Sichtweise handelt, ist wohl die Hauptconclusio des von Michael Zichy und Jonas Lüscher herausgegebenen Bandes „Der populistische Planet“. Darin tauschen sich Schrift­stel­le­r:in­nen und Phi­lo­so­ph:in­nen aus insgesamt sieben Ländern in Briefen über den globalen Populismus aus. Entstanden sind persönliche Texte, die oft wütend oder sorgenvoll, mitunter aber auch sehr kurz geraten. So bringt die 2019 gestorbene ungarische Philosophin Ágnes Heller ihr Missfallen des Populismusbegriffs zum Ausdruck: „Orbán und seine Gefolgschaft sind keine Populisten. Populisten sind zwar Dema­gogen, stehen aber tatsächlich auf Seiten des Volkes und nicht der Wohlhabenden.“ Hier bleiben Fragen offen, sodass Michael ­Zichy entgegenhält: „Ist die Unterscheidung zwischen echten und Pseudo-Populisten stichhaltig? Es ist doch gemeinsames Kennzeichen aller Populisten, dass sie definieren, wer überhaupt ‚das Volk‘ ist.“

Die Au­to­r:in­nen kritisieren ihre Texte gegenseitig, geben aber zu, mehr Fragen als Antworten zu haben. Interessant, so nochmals mitzuerleben, ist der Ausbruch der Coronapandemie, durch die populistische Tendenzen deutlicher zutage treten: So etwa in Indien, wo Naren Bedide das aufgrund des Kastensystems katastrophale Gesundheitssystem beschreibt. Lügende Staatsoberhäupter, Korruption, was Europa und Nordamerika gerade erst erfahren, war in Afrika vielerorts nie anders. So empfindet die kenianische Autorin Yvonne ­Adhiambo Owuor Schadenfreude, dass nun der Westen über seine Ideale von Demokratie und Rechtsstaat stolpert. „Der populistische Planet“ ist daher vor allem ein Plädoyer fürs interkontinentale Zuhören, das angenehm offenherzig daherkommt.