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Archiv-Artikel

Die Verwandlung ins Richtige

„Die Vogelpredigt oder Das Schreien der Mönche“, der neue Film von Clemens Klopfenstein, parodiert das jugendliche Bastelkino – und begründet es zugleich

Es bleibt nur noch die eine Idee: eine Kutte anziehen und in den Wald gehen

Einmal „etwas Richtiges“ drehen! Diesen Traum haben viele Filmemacher. Aber im Gestrüpp des europäischen Subventionskinos entsteht immer das Falsche. Es braucht eine Aufbruchsbewegung, einen neuen Geist, eine radikale Kritik der bestehenden Halbherzigkeit. Mit diesen Gedanken im Kopf besteigen Max und Polo, zwei ältere Schauspieler aus der Schweiz, ein Auto. Sie wollen nach Italien fahren, wo der Regisseur Clemens Klopfenstein seine Einsiedelei mit ein paar Gänsen teilt. Max und Polo wollen den Cineasten, mit dem sie vor Jahren schon einmal einen Film gedreht haben („Das Schweigen der Männer“), zu einem Sequel überreden. Zu einer richtigen Sache, am besten in Afrika, mit einer Jemenitin als Attraktion und nach Möglichkeit einer Hauptrolle für einen selber.

Max und Polo wollen einen Schweizer Film machen, der sich nicht „für sich selber entschuldigt“. Aber sie haben die Rechnung ohne ihren Freund gemacht. Clemens Klopfenstein („Klopfi“) erweist sich als ein wenig widerspenstig. Er haust in Italien in einer Ruine. Das Aussteigerideal nimmt er allzu ernst. Immerhin hat er eine Videokamera, und er hat sogar eine Idee: Er möchte die Vogelpredigt verfilmen, mit der Franz von Assisi vor 800 Jahren berühmt geworden ist. Den Baum hat er schon ausgesucht, die Vogelattrappen sind selbst gebastelt. Jetzt braucht er nun noch einen Prediger.

„Die Vogelpredigt oder Das Schreien der Mönche“ von Clemens Klopfenstein ist also sowohl ein Film im Film wie auch schließlich der Film, der den „richtigen“ Film ersetzt, und zwar durchaus „richtig“. Das klingt zwar nach einer komplizierten Versuchsanordnung, ist tatsächlich aber nicht viel selbstreflexiver als das „Blair Witch Project“. Nur ist die unheilige Einfalt dieses One-Hit-Wonder bei Klopfenstein auch schon mitbedacht. Er erst verleiht der unbekümmerten Arbeit mit der Videokamera ein Ideal, indem er mit dem Blick auf den Mönch Franziskus eine Armutsbewegung des Kinos begründet. Max (Max Rüdlinger) und Polo (Polo Hofer) müssen das durchleben, um es zu begreifen. Für ein Erweckungserlebnis sind sie vielleicht noch nicht reif, für eine ernüchternde Erfahrung reicht es allemal.

Klopfenstein erzählt ihnen erst einmal seine neueren Erfahrungen mit dem Kino. Ein Redakteur vom Privatfernsehen hat ihn eingeladen, etwas zu schreiben, am besten schnell und ohne intellektuelle Selbstzensur. Das Drehbuch fand Interesse und auch eine Drehbuchförderung, und damit begann schon wieder die Verwandlung ins Falsche. Klopfenstein möchte wichtige Dinge hineinbringen, über das Kapital und über die Kirche, über den Lauf der Welt. Nun sitzt er mit Max und Polo bei einer Gans und gibt den Skeptiker. Von seinem ursprünglichen Projekt existieren einige Fragmente, in denen Ursula Andress die Muttergottes spielt. Zu einem richtigen Film langt das nicht mehr. Er hat nur noch diese eine Idee. Seine Freunde sollen eine Kutte anziehen und mit ihm in den Wald gehen.

„Die Vogelpredigt“ ist eine komische Summe im Werk von Clemens Klopfenstein. In den frühen Achtzigerjahren hat er das schweizerische Autorenkino mit seinen Klassikern „Geschichte der Nacht“ und „Transes – Reiter auf dem toten Pferd“ entscheidend subjektiviert. Als Kameramann trug er auch zu Christian Schochers „Reisender Krieger“ bei, einem Roadmovie über einen Kosmetikvertreter, das zu den Höhepunkten des modernen Kinos gehört. Eine Karriere ist für Klopfenstein daraus nicht geworden, auch wenn er einigermaßen kontinuierlich seine Low-Budget-Filme zustande gebracht hat und auch als Maler tätig ist. Das Forum der Berlinale hat ihm über all die Jahre zu Recht die Treue gehalten.

„Die Vogelpredigt“ ist zugleich Parodie des jugendlichen Bastelkinos, das durch die Videotechnik möglich wurde, wie auch ästhetische Begründung desselben. Klopfenstein weiß, dass es nicht reicht, einfach mit der Kamera in den Wald zu gehen. Deswegen widmet er sich hier auch ein wenig der Überwindung dieses Hypes. Er wählt dazu eine Strategie des Verschwindens, mit der er viel wieder gutmacht, was „Die Vogelpredigt“ zu Beginn ein wenig prekär macht: das seltsame Frauenbild, für das Sabine Timoteo einstehen muss, ist zwar deutlich als Projektion ausgewiesen, prägt aber doch die Stimmung dieses Road Movies, solange die Muttergottes noch nicht erschienen ist. Erst in Umbrien wird es religiös, und erst mit dem Auftritt von „Klopfi“ selbst gewinnt der Film den Witz, der sich nicht in der faulen Selbstironie zweiter älterer Schauspieler erschöpft.

„Die Vogelpredigt“ beendet alle Debatten über den „richtigen“ Film, der unmöglich zu realisieren ist, weil es ihn immer schon gibt. Radikaler wurde das Kino selten auf die Videokamera gestellt. BERT REBHANDL

„Die Vogelpredigt oder Das Schreien der Mönche“. Regie: Clemens Klopfenstein. Mit Ursula Andress, Max Rüdlinger, Polo Hofer u. a. Schweiz/Italien 2005, 88 Min.