Deutschlands langer Arm der Mittelmäßigkeit

Bonn Park ist mit 34 Jahren bereits anerkannter Theaterautor. Von Hochkultur hält er genauso wenig wie von starren Strukturen

Von Julia Hubernagel

Junge Stimmen haben es im hierarchischen Theaterbetrieb nicht immer leicht. Bonn Park ist an den deutschen Bühnen mittlerweile trotzdem sehr gefragt, obwohl der 34-Jährige nach eigenem Bekunden lieber nicht berühmt werden möchte. Park wird seit 2011 regelmäßig mit Theaterpreisen ausgezeichnet, gewann den Stückemarkt des Berliner Theatertreffens und wurde 2019 zum Nachwuchsregisseur des Jahres von Theater heute gekürt. Beim Literaturforum im Brecht-Haus hat der deutsch-koreanische Autor am Mittwoch mit nachtkritik.de-Redakteur Christian Rakow über das Schreiben und Deutschland gesprochen.

Parks Stücke sind oft abenteuerlich, Kim Jong Un und Heidi Klum treten auf, mal verkündet Park den Tod des Autors plakativ mit seiner eigenen Todesanzeige, mal realisiert er eine Oper mit Lai­en­schau­spie­le­r:In­nen und Jugendorchester. Popkultur mit Klassik zu vermischen, macht ihm Spaß: Sein neuestes Stück „Die Räuber der Herzen“, das im Herbst im Deutschen Schauspielhaus Hamburg uraufgeführt werden soll, vereint in sich Schiller und den Hollywoodfilm „Ocean’s Eleven“. Von dem Film sei Park schon lange Fan. Zwar handle er von Verbrecher:Innen, die ein Casino ausrauben, doch wendeten sie nie Gewalt an und lösten Konflikte mit Charme.

Mit dem Theaterbetrieb ist Park oft unzufrieden. Die Spielpläne in Deutschland sehen seit 250 Jahren gleich aus, meint der Berliner. Gleichzeitig führe das natürlich zur Denkmalbildung, sodass man als Autor diese Klassiker auch einmal selbst realisieren will.

Park glaubt nicht an die Unterscheidung zwischen Hochkultur und Unterhaltung. Dass Hochkultur gleichbedeutend mit Unzugänglichkeit sei, stelle ein gefährliches Missverständnis dar, meint er. „Das bedeutet den Untergang des Theaters, wenn das so bleibt.“ Rakow widerspricht Park nicht, der Kritiker lässt den Autor überlegen, stellt aber kaum kritische Nachfragen. Das mag auch an dem Veranstaltungsformat liegen: Ihr Gespräch ist Teil der Reihe „Neue Dramatik in zwölf Positionen“, die Au­to­r:In­nen in den Mittelpunkt stellt, „die mit prägenden Arbeiten in der Gegenwartsdramatik in Erscheinung getreten sind“, wie es in der Ankündigung heißt. Park wird viel Raum geboten, das macht das Gespräch auch interessant. Seine mitunter steilen Thesen stehen so für sich, es bleibt den Zu­schaue­r:In­nen an ihren Bildschirmen überlassen, was sie daraus machen.

Pop, das überlegt Park laut weiter, habe als Genre eigentlich ausgedient. Zu Andy Warhols Zeiten hätte der Begriff noch seine Berechtigung gehabt, heute verweise selbst bildende Kunst, klassische und E-Musik doch immer auf etwas anderes statt nur auf sich selbst. Statt an ein Genre denke man bei „Die Räuber“ heute nur noch an Reclam.

Das müsse jedoch nicht schlecht sein. Zwar glaubt Park generell, dass die große Zeit des Schreibens vorbei sei, doch ließen sich Themen auch über diese Zeichenhaftigkeit angehen. „‚Die Räuber‘ stehen für Abiturhorror“, sagt er. Dabei handle das Stück von der Widersprüchlichkeit von Empfindungen. „Es geht immer um Gefühle“, so Park. Für ihn sei Theater ein sinnliches Medium, das in erster Linie der Unterhaltung diene.

Park findet für Theaterbetrieb und Heimatland klare Worte. „Ich spüre einen unbedingten Willen, alles mittelmäßig zu halten“, sagt er. Das sei eine deutsche Besonderheit und ihm anderswo noch nirgends begegnet. „Es gibt eine teuflische Lust daran, Leute zu gängeln, auf Regeln hinzuweisen.“ Er glaube nicht, dass an einem anderen Ort der Welt regelmäßig Fahr­rad­fah­re­r:in­nen von Rent­ne­r:in­nen vom Bürgersteig gestoßen werden. Das sei mindestens drei Bekannten bereits passiert. „Der deutsche Arm der Mittelmäßigkeit reguliert intern und auch global alles“, sinniert er. Dieser Arm ziehe Menschen zu sich hoch, aber eben auch von sich herunter. An eine Mitte der Gesellschaft glaube er nicht: „Deutschland ist die Mitte per se.“