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Jörn Kabisch AngezapftMit der Keule im Park

Steile These: BrewDog ist der Tesla der Bierwelt. Neugier geweckt? Schön. Tatsächlich lässt sich einiges vergleichen. Denn BrewDog, 2007 in Schottland von zwei jungen Typen und ihrem Hund (daher der Name) gegründet, ist inzwischen ein millionenschwerer Craftbeer-Konzern, der über den ganzen Globus expandiert – und die ganze Branche mit seinem Erfolg vor Rätsel stellt.

Und wie der Elektroautobauer (gegründet 2003 von zwei Typen in Kalifornien) haben die Brauer ein besonderes Auge auf Berlin und seine Umgebung geworfen. Während Tesla aber den für Sommer geplanten Produktionsstart seiner Giga-Fabrik in Grünheide nicht halten kann, produzieren James Watt und Martin Dickie längst Bier, im stillgelegten Gaswerk Mariendorf, wo zufällig auch das Rettergut (siehe Text rechts) sitzt.

Bier wie Auto sind Teil einer sehr tradierten, männlichen Kultur – das ist die dritte ­Pa­rallele: Wenn man sich vornimmt, dort den Geschmack neu zu definieren, dann tut man gut, zu drastischen Mitteln zu greifen. Ich nenne das den Punk-Faktor und in dieser Gemeinsamkeit zeigen sich dann auch die Unterschiede: Punk, das ist bei Tesla der exzentrische Firmenchef Elon Musk. Bei BrewDog ist der Faktor etwas umfassender. Angefangen von der Gründung (die Finanzierung läuft bis heute über Crowdfunding) über die Wahl der Biernamen (Punk IPA heißt der Longseller) bis zur Geschäftspolitik. Der Konzern opensourct jedes seiner Bierrezepte, beteiligt die Mit­ar­bei­te­r*in­nen am Gewinn und produziert seit vorigem Jahr nach eigenen Angaben CO­2-negativ.

„Kiez Keule“ heißt ein Bier, das die Schotten in Berlin brauen. Und es wird gerade zu meiner Lockdown-Keule. Untergäriges Bier mit etwas mehr Alkohol (also Export) ist ohnehin mein Typ – so viel an dieser Stelle als Disclaimer –, was aber nicht heißt, dass die Ansprüche geringer sind, im Gegenteil.

Die Kiez Keule bewegt sich auf Edelstoff-Niveau. Das blasse, etwas trübe Gelb ist wie beim Münchner Hellen, auf der Zunge entwickelt sich das Bier aber sofort von dünn zu vollschlank. Im Einstieg tropisch-fruchtig bis floral, denkt man eher an ein Pale Ale. Dann aber meldet sich ein süffiger Körper mit einer rustikalen Malzigkeit, wie man sich das von einem Export erwartet. „Dryhopped Lager“ steht auf dem Etikett, wegen der Kalthopfung bleiben die fruchtigen Bitternoten bis in den Abgang erhalten und harmonieren angenehm mit dem Malz. Man denkt an Grapefruit, Litschi, Papaya.

Kiez Keule, Brewdog, 5,8 % vol.

Kiez Keule? Aber klar. Weil irgendwie multikulti und geschmacklich so präsent, dass ich das Bier sogar im Park aus der Flasche trinken könnte.

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