: Bremen beschließt Mindestlohn
EXISTENZSICHERUNG Als erstes Bundesland legt Bremen einen Mindestlohn fest: 8,50 Euro müssen Unternehmen zahlen, die öffentliches Geld erhalten. Die Sozialverbände bringt das in Bedrängnis
Am 1. September tritt im Bremen ein Mindestlohngesetz in Kraft. So hat es gestern die Bremische Bürgerschaft beschlossen. Bremen ist damit das erste Bundesland, in dem alle Unternehmen ihren Beschäftigten 8,50 Euro zahlen müssen – sofern sie Gelder vom Land oder der Stadt erhalten. Weiter reicht die Gesetzgebungskompetenz nicht.
Die Untergrenze beim Bruttolohn gilt für die eigenen Beschäftigten und wird Bedingung für Zuwendungen, Vergünstigungen oder bei Subventionen. Sie gilt auch weiterhin für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen: Dafür ist in Bremen bereits seit 2007 eine Lohnuntergrenze festgelegt.
Ein solches Vergabegesetz hat auch Hamburg, in Niedersachsen gilt es immerhin für die Bauindustrie. In Schleswig-Holstein plane die neue Koalition aus SPD, Grünen und SSW ein entsprechendes neues Tariftreuegesetz, sagt Thorsten Schulten, Experte für europäische Tarifpolitik am sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Bremen aber gehe einen Schritt weiter. „Ich kenne kein anderes Bundesland, das den Weg bislang gegangen ist, aber es strahlt aus.“ Hamburg überlege nachzuziehen und auch in anderen Bundesländern gebe es Gesetzesinitiativen aus der Opposition.
Dass das Bremer Gesetz ein Signal nach Berlin senden soll, zeigt schon der Antragstext: Umfangreich geht es darin um bundesdeutsche Lohnentwicklung. Aber auch in Bremen selbst ist der Druck auf die Löhne hoch: Neben einer Arbeitslosenquote von 11 Prozent ist auch der Anteil der LeiharbeiterInnen unter den Beschäftigen mit 4,1 Prozent in Bremen höher als im bundesweiten Vergleich. Laut Zahlen der Arbeitnehmerkammer Bremen arbeiten in der Freien Hansestadt fast 22 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor, Frauen sind davon besonders betroffen. Und: 19.000 Menschen beziehen trotz Arbeitsplatz Leistungen vom Jobcenter.
Billiglöhne nicht weiter zu subventionieren, darum geht es dem Gesetz: „Wir haben geschaut, ab welchem Brutto-Verdienst eine Vollzeitstelle die Existenz sichert“, sagt der Grünen-Arbeitsmarktpolitiker Frank Willmann. Das ginge bereits mit 8,20 Euro – zumindest für Alleinstehende. Die Linkspartei forderte deshalb mindestens 10 Euro: um auch Menschen mit Kind das Leben zu sichern.
Selbst die nun beschlossenen 8,50 Euro bringen die Wohlfahrtsverbände schon in Bedrägnis: Mehrere Hundert MitarbeiterInnen müssen ab September mehr Geld bekommen – Mehrkosten, die die Verbände nun vom Land einfordern, die im Landeshaushalt aber nicht eingeplant sind. Die Zuwendungen müssten „an der ein oder anderen Stelle nachgebessert werden“, sagt Willmann. „Das ist die Konsequenz“. JPB