: DFB, Deutscher Fieslings-Bund
Über kurz oder lang verlassen Präsident Fritz Keller, Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge den DFB. Aber kann der verbleibende Rainer Koch den Wandel gestalten?
Aus Frankfurt Frank Hellmann
Es dauert nicht mehr lange, dann ist die neue Heimat des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn fertig. Zuschriften werden dann nicht mehr an die Otto-Fleck-Schneise 6 in Frankfurt zugestellt, sondern gehen in die Schwarzwaldstraße 125. Dort wächst in rasanter Geschwindigkeit nicht nur die Akademie, sondern auch die zentrale Verwaltung. Doch führende Köpfe werden am Jahresende keine Umzugskisten mehr packen. Präsident Fritz Keller, 64, will am kommenden Montag sein Amt zur Verfügung stellen. Vorher klärt das DFB-Sportgericht, wie das Oberhaupt für seine Nazi-Entgleisung belangt wird. Kellers Intimfeind, Generalsekretär Friedrich Curtius, 44, wird seinen Arbeitsvertrag mutmaßlich gegen eine hohe Abfindung auflösen, und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, 50, verzichtet beim nächsten Bundestag Anfang 2022 auf eine Kandidatur.
Die Demission der zerstrittenen Herrschaften ist nach einem schmutzigen Machtkampf unvermeidlich. Vielerorts schämen sich die Vereine, diesem Verband indirekt zu dienen. Bildlich gesprochen gleicht das Erscheinungsbild des DFB einem Trümmerfeld nach monatelangem Stellungskrieg. Und niemand weiß, wo überall im Frankfurter Stadtwald noch Tretminen versteckt sind. Nach eigenen Angaben stellt der Verband nun „die Weichen für die Neuausrichtung“, doch dahinter verbirgt sich immer noch viel Konfliktpotenzial. Für viele ist völlig unverständlich, wie der größte Einzelsportverband der Welt die nächste Übergangszeit zu gestalten gedenkt: Mit den Vizepräsidenten Rainer Koch, 62, und Peter Peters, 58, die angeblich den taumelnden DFB „in ruhiges Fahrwasser“ führen sollen? Diese Doppelspitze dürfte noch für Wellen der Empörung sorgen. Wird da jeweils der Bock zum Gärtner gemacht? Peters kommt über die Schiene als Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga, hat aber als langjähriger Finanzvorstand des FC Schalke 04 den Niedergang dort mitzuverantworten und darf nicht mal für den Aufsichtsrat der Königsblauen kandidieren. Dass er die deutschen Belange im Weltverband Fifa vertritt, empfinden viele schon als fragwürdig.
Noch befremdlicher mutet an, dass Koch ein drittes Mal nach 2015/2016 und 2019 – jeweils im Duett mit dem für seine Loyalität geschätzten Liga-Präsidenten Reinhard Rauball – weiterhin die Weichen stellen darf. Die Ungereimtheiten rund um die vertraglich fixierten Abmachungen mit dem Medienberater Kurt Diekmann – sogar von hauseigenen Prüfern harsch gerügt – genügen eigentlich, um auch Koch zu verabschieden. Das Gegenteil passiert aber.
Der findige Jurist will zwar nicht mehr als 1. Vizepräsident Amateure kandidieren und auch nicht mehr „als haftender Vorstand“ agieren, aber der Rückzug ist halbherzig. Keine Rede ist davon, dass er seine Posten als Vorsitzender des Bayerischen und Süddeutschen Fußball-Verbandes aufgibt. Und erst recht nicht will er seinen lukrativen Platz für die nächsten vier Jahre im Uefa-Exekutivkomitee räumen. Mit solch geschickten Winkelzügen hätte er weiterhin eine enorme Machtfülle. Eine „Mogelpackung“ nennen dies die Süddeutsche Zeitung und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, aber auch politische Kreise haben an der Dreistigkeit der Altvorderen etwas auszusetzen.
Der sozialdemokratische Strippenzieher Koch war nach dem Sturz der Präsidenten Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel jedes Mal ein Stück mächtiger. Der DFL ist der schwer zu greifende DFB-Mann ein Dorn im Auge, zumal er keine Gelegenheit auslässt, die Gräben zwischen Profis und Amateuren zu vertiefen. Die Liga wird nicht eher Ruhe geben, bis Kochs Kompetenzen beschnitten sind. Wie er sich überdies mit Liga-Vertreter Peters arrangieren soll, ist eingedenk seiner jüngsten Attacken gegen den bezahlten Fußball schwer vorstellbar.
Was auch keinesfalls geht: Dass eine Findungskommission aus DFB und DFL im Verborgenen einen neuen Präsidenten sucht. Koch und der damals ebenfalls maßgeblich involvierte Liga-Chef Christian Seifert ahnten schnell, dass der leutselige, aber aufbrausende Winzer aus dem Kaiserstuhl, Keller also, überfordert sein könnte. Es braucht einen obersten Repräsentanten, der wieder besonnen führt. Allein deshalb ist beispielsweise Uli Hoeneß, 69, der am schlechtesten geeignete Fritz-Keller-Nachfolger.
Der DFB müsste zudem diverser und weiblicher werden. Positiv wird allenthalben bewertet, dass die stellvertretende Generalsekretärin und die für Vereine, Verbände und Ligen verantwortliche Direktorin Heike Ullrich, 51, vorübergehend die Geschäftsbereiche von Curtius übernimmt. Die Integrität der diplomierten Sportökonomin ist verbürgt. Der Frauenanteil im Hauptamt liegt im DFB zwar derzeit bei 30 Prozent. Zwei der vier Direktorenposten sind mit Frauen besetzt – neben Ullrich noch die für Öffentlichkeit und Fans zuständige Mirjam Berle, 46.
Aber: Im Präsidium, wo bislang ja alle wichtigen Entscheidungen fallen, ist die 2007 gewählte Hannelore Ratzeburg, 69, Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball, immer noch eine Einzelkämpferin. Wenn nun demnächst eine ganze Liste möglicher Kandidaten auftaucht – einer davon wird Philipp Lahm, 37, als Organisationschef der Münchner EM-Spiele im Sommer und des Heim-Turniers 2024, sein –, dann sollte mindestens auch eine Kandidatin darunter sein. Offenbar werden einflussreiche Frauen rund um den Fußball genau diese Forderung demnächst vortragen.
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