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Archiv-Artikel

Universität Witten-Herdecke droht das Aus

Der Berliner Wissenschaftsrat hat ein vernichtendes Urteil über die Medizin-Fakultät von Deutschlands erster privaten Hochschule in Witten gefällt. Sollte sie sich nicht bald reformieren, muss die anerkannte Universität schließen

WITTEN taz ■ Die Existenz der Privatuniversität Witten-Herdecke ist bedroht. Der Berliner Wissenschaftsrat hat der Universität erhebliche Mängel attestiert. Im Fach Humanmedizin sieht der Rat große Schwachstellen. Die Hochschule verweist dagegen auf die hohe Qualifikation ihrer Absolventen. „Unser Output an Medizinern wird hochgeschätzt und ihre Dialogfähigkeit mit den Patienten ist allgemein sehr anerkannt“, sagt Uni-Präsident Wolfgang Glatthaar.

Der taz nrw liegt ein Akkreditierungs-Gutachten vor, das erst am kommenden Montag offiziell vorgestellt werden soll. Darin übt das unabhängige, vom Bundespräsidenten ernannte Gremium, heftige Kritik: Sollten die in dem Papier beschriebenen Defizite nicht binnen drei Jahren behoben sein, empfehlen die Fachleute aus Wissenschaft und öffentlichem Leben die Schließung der Fakultät.

Die seit 1982 staatlich anerkannte Private Universität hat bislang insgesamt rund 40 Millionen Euro vom Land erhalten. „Wir werden die Uni nur dann weiter fördern, wenn sie sehr schnell ein tragfähiges Zukunftskonzept vorlegt“, sagte Andreas Pinkwart, NRW-Innovationsminister (FDP). Witten-Herdecke stünde vor einer riesigen Herausforderung, das Land wolle sie dabei begleiten. Konkrete Hilfe kündigte Pinkwart nicht an.

Weniger als 1.100 Studenten lernen auf dem Wittener Campus, annähernd die Hälfte von ihnen studiert Medizin. Entsprechend wichtig ist die Fakultät für das Fortbestehen der Uni. Der Wissenschaftsrat fordert: „Sollte die Medizinerausbildung eingestellt werden, ist es dringend erforderlich, dass die Universität in einem tragfähigen Konzept zeigt, wie sie sich auch ohne Medizinerausbildung weiter entwickeln kann.“ Eine aus heutiger Sicht kaum zu lösende Aufgabe. So verspricht sich die mit gut 300 Studenten zweitgrößte Fakultät für Wirtschaftswissenschaft viel von einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Medizinern. Das Themenfeld Gesundheitsökonomie, so die Planungen der neuen Hochschulleitung, soll zu einem der künftigen Ausbildungs- und Forschungsschwerpunkte werden.

Konkret bemängelt der Wissenschaftsrat unter seinem Vorsitzenden Karl Max Einhäupl, Professor für Neurologie an der Berliner Charité, das Fehlen eines eigenen Universitätsklinikums. Die Hochschule kooperiert stattdessen mit elf Kliniken, was die Gefahr einer Zerfaserung der praktischen Studentenausbildung berge. Außerdem werden mangelnde Forschungsleistungen und die angeblich extrem hohen Durchfallquoten der Wittener kritisiert.

Von einer auffallend hohen Abbrecherquote will man in Witten nichts wissen. Dort hält man das für Statistikspielereien und verweist auf die beim 1. und 2. Staatsexamen sogar überdurchschnittlichen Ergebnisse der Absolventen: „Die Studienerfolgsquote in der Humanmedizin liegt über dem Bundesschnitt.“ Und auch das Unikliniken-Modell will man beibehalten: „Wir halten es weiterhin für sinnvoll, Studierenden die ganze Bandbreite der klinischen Versorgung zu vermitteln.“

Der seit nunmehr fünf Jahren in Witten angebotene Modellstudiengang Medizin belegte in jüngster Zeit in einem Ranking des Spiegel den Spitzenplatz. Er wurde vom Land NRW im Frühjahr 2005 zum Leitprojekt „Gesundheitswirtschaft“ ernannt.

Dennoch will man sich in Witten der Schelte aus Berlin stellen: „Trotz der unbestreitbaren Erfolge unseres Studienganges werden wir alle erforderlichen Schritte zur Umsetzung der Kritikpunkte unternehmen“, sagt Leiter Wolfgang Glatthaar.

HOLGER ELFES