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„Niemand soll an Werken von Frauen vorbeikommen“

In jedem Bücherregal fehle etwas, sagen Laura Hage und Magdalena Mau. Sie sehnen sich nach Literatur mit „weiblichem Blick“. Mit einigen Kolleginnen haben sie deshalb den Verlag Ecco gegründet: Er soll das Leben endlich aus Sicht der Frau erzählen

Wollen ausdrücklich kein Männer-Bashing: Kathrin Betka (Marketing, v. l.), Laura Hage, Heide Kloth (Programm), Magdalena Mau und Tabea Worthmann (Vertrieb) Foto: Bettina Theuerkauf

Interview Anna Heidelberg-Stein

taz: Frau Mau, Frau Hage, weshalb braucht es ­einen „weiblichen Verlag“?

Magdalena Mau: Weil in der Literaturlandschaft der Blick von Frauen unterrepräsentiert ist. Wir sind alle mit einem männlich geprägten Literaturkanon aufgewachsen. Für Frauen ist es selbstverständlich, Bücher von Männern zu lesen. Andersrum kann man das nicht behaupten.

Wie wirkt sich dieser Fokus auf die Themen der Bücher aus?

Mau: Inhaltlich setzen wir keine Grenzen. Wir verlegen nur Bücher, die wir selbst im Regal vermissen und die noch nicht – oder nicht auf diese Weise – erzählt wurden. „Blond“ etwa, ein Roman über Marilyn Monroe, setzt dem männlich geprägten Urteil eine neue, weibliche Sicht entgegen. Da schreibt endlich mal eine Frau über diese Frau!

Laura Hage: Oder nehmen wir den Roman „Was wir wollen“ von Meg Mason. Er erzählt von einer Enddreißigerin, die keine Kinder will, vielleicht keine bekommen kann. Darüber schreibt Mason auf eine so besondere Art, dass es mich wahnsinnig bewegt zurücklässt.

Was unterscheidet den weiblichen vom männlichen Blick?

Mau: Wir glauben nicht, dass es den einen Unterschied gibt. Aber oft schreiben Männer auch über Frauen, also aus der Außenperspektive. Oder aber in Form der Annahme. Wir betonen stattdessen die Innenperspektive, die ich persönlich als ehrlicheren Ton wahrnehme.

Es gibt bereits Verlage, die nur Bücher von Frauen für Frauen veröffentlichen. Was unterscheidet Ecco von ihnen?

Hage: Jede von uns fünf Kolleginnen ist in sämtliche Entscheidungen eingebunden: von der Akquise über die Produktion bis hin zu Marketingstrategien. Interviews geben wir gemeinsam. Das macht uns aus.

Flache Hierarchien gibt es auch in anderen Häusern.

Hage: Ja, aber wir ziehen unseren Fokus konsequent durch. Alle Menschen, die an den Büchern arbeiten, sind Frauen. Die Urheberinnen der Fotografien für unsere Layouts etwa. Das Cover von „Blond“ ist ein gutes Beispiel: Eine unfassbare Auswahl an Fotos lag vor uns, wir hatten uns schnell in ein Bild verliebt. Das hatte natürlich ein Mann geschossen. Im ganzen Kulturbereich zeigt sich das: Es gibt viel weniger Frauen, die derart im Rampenlicht stehen wie ihre männlichen Kollegen. Wir haben bei „Blond“ das Foto an eine Illustratorin weitergegeben, die ein eigenes Werk daraus gemacht hat.

Wenn das beste Foto ein Mann gemacht hat, muss um der Konsequenz willen trotzdem eine Frau ran? Geht das nicht auf Kosten der Qualität?

Mau: Nein. Wir zwingen uns nur selbst, an der ein oder anderen Stelle genauer hinzugucken und bemerken immer wieder: Es gibt natürlich genau so gute Werke von Frauen! Die sind oft nicht so offensichtlich, aber definitiv nicht die schlechtere Wahl.

Der Name Ecco – Italienisch für „da“ oder „hier“ – ist nicht zufällig gewählt.

Foto: Bettina Theuerkauf

Laura Hage

35, leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Harper Collins Deutschland und koordiniert sie auch für Ecco.

Hage: Der amerikanische Literaturverlag Ecco Press gehört seit 1999 zu unserem Hausverlag Harper Collins. Dieses Jahr feiert Ecco Press sein 50. Jubiläum. Das ist ein super Aufhänger: Wir sehen uns in der literarischen Tradition des Ecco-Gründers Daniel Halpern. Wie er wollen wir Literatur fordern und fördern.

Sie berufen sich ausgerechnet auf einen Mann!

Hage: Hinter Daniel Halpern stand aber maßgebend eine Frau, Drue Heinz. Außerdem entdeckte und förderte Halpern Autorinnen wie Joyce Carol Oates, verlegte die Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück.

Warum gehen Sie mit Ihrer Idee erst jetzt an den Start?

Mau: Ein rein weiblicher Verlag wäre zu jeder Zeit sinnvoll gewesen, überfällig und zeitgemäß. Momentan gibt es aber einen gesellschaftlichen Diskurs, der Chancen öffnet.

Hage: Viele starke Frauen haben Vorarbeit geleistet. Unsere Autorin Bianca Nawrath brachte es auf den Punkt: „Die Tür wurde aufgestoßen. Wir haben derbe Bock, da jetzt durchzugehen!“ Wobei ich betonen möchte: Wir verlegen nur Frauen, aber unsere Leserschaft soll ausdrücklich divers und inklusiv sein.

Müsste Autorinnen nicht in erster Linie daran gelegen sein, mit Profis zu tun zu haben – egal, welchen Geschlechtes?

Mau: Unsere Erfahrung zeigt, dass es ihnen eben nicht egal ist, ob sie mit Männern oder Frauen zusammenarbeiten.

Hage: Außerdem gehen wir selbstverständlich genauso professionell vor wie Männer.

Das bezweifle ich nicht. Aber machen Sie mit Ihrem Fokus auf Frauen nicht, was einige Männer tun – andere ausschließen?

Hage: Männer haben so viele Möglichkeiten auf dem Markt. Wir nehmen ihnen nichts weg, sondern geben Frauen etwas dazu. Es geht uns um „Women-Empowerment“. Frauen wollen Frauen unterstützen. Warum ist das nicht längst normal?

Foto: Bettina Theuerkauf

Magdalena Mau

30, ist bei der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland Buchherstellerin und dafür auch bei Ecco verantwortlich.

Mau: Wir ersetzen ja nicht männliche durch weibliche Literatur, sondern ergänzen den Markt. Das ist kein Männer-Bashing. Unser Ziel ist es vielmehr, den Raum zu öffnen – Männer sollen mehr Bücher von Frauen lesen, ohne dass wir Frauen die Neugier auf Bücher von Männern verlieren.

Wie kriegen Sie Männer dazu?

Mau: Niemand soll mehr an Werken von Frauen vorbeikommen. Diese Bücher müssen genauso selbstverständlich und präsent in Buchhandlungen liegen wie solche von Autoren.

Welche Ziele stecken Sie sich mittel- und langfristig mit dem Verlag – sich selbst überflüssig zu machen?

Mau: Die Literaturlandschaft diverser zu gestalten, das ist unser Ziel. Das schaffen wir auch. Aber es wäre übertrieben optimistisch zu denken, dass Autorinnen in einigen Jahren genau so stark auf dem Markt auftreten könnten wie Männer. Trotzdem: Wir halten den Diskurs am Leben. Vielleicht wird künftig in Germanistik-Vorlesungen die ein oder andere Frau mehr besprochen. Vielleicht entstehen durch uns weitere Ideen und Konzepte, damit die Bewegung vorankommt.

Hage: Und warum sollten wir nicht für immer dabei bleiben: Frauen unterstützen Frauen? Es wäre schön, wenn wir uns mit diesem Konzept irgendwann nicht mehr erklären müssten.

Die ersten fünf Ecco-Titel sind seit dem 23. März im Handel:

Katharina Höftmann Ciobotaru: „Alef“, 416 S., 22 Euro; E-Book 16,99 Euro

Katja Kettu: „Die Unbezwingbare“, aus d. Finn. v. Angela Plöger. 336 S., 22 Euro; E-Book 16,99 Euro

Meg Mason: „Was wir wollen“, aus d. Engl. v. Yasemin Dinçer. 416 S., 22 Euro; E-Book 16,99 Euro

Bianca Nawrath: „Iss das jetzt, wenn du mich liebst“, 288 S., 20 Euro; E-Book 14,99 Euro

Joyce Carol Oates: „Blon, aus d. amerik. Engl. v. Uda Strätling, Sabine Hedinger und Karen Lauer. 1.024 S., 26 Euro; E-Book 19,99 Euro