Wie leibhaftige Dämonen

BLACK METAL 100 Prozent Gebolze: Das schwedische Black-Metal-Quartett Marduk kommt im Rahmen seiner „Funeral Nation“-Tour mit neuem Album nach Berlin

Was Druck, Melodien und die Variation von Geschwindigkeit betrifft, sind Marduk unschlagbar

Black-Metal-Musiker predigen Hass, Tod und Vernichtung. Dabei sind sie humorvoller, als man vielleicht denken mag.

Ihr Witz ist halt politisch unkorrekt und damit, wenn man so will, vergleichbar mit dem, was man landläufig unter jüdischem Humor versteht. Marduk beispielsweise, ein Black-Metal-Quartett aus Schweden, geht kurz vor der Bundestagswahl auf „Funeral Nation“-Tour, Begräbnisstimmung also. Vielleicht ist das überhaupt die wahre Stärke des Black Metal: die Dinge klar zu benennen.

Das erste Demo von Marduk, entstanden vor fast 20 Jahren, hieß „Fuck Me Jesus“. Auf dem Cover sah man eine Frau, die sich mit dem Kreuz masturbiert. Dieses Kunstwerk, das Religion etwas überdeutlich verhöhnte, wurde – humorloserweise – verboten. Wo der Bierernst endet und der Spaß beginnt, das ist im Black Metal freilich nicht leicht zu bestimmen.

Es bleibt den Rezipienten überlassen, für sich zu entscheiden, wo die Inszenierungskunst dieses Genres, die sich der immer gleichen Versatzstücke bedient, ins Groteske kippt. Im Rahmen eines Symposiums über Jugendkulturen und Mode in Berlin hat vor Kurzem der Kulturwissenschaftler Jan Grünwald über die Verkleidung bei Black Metal referiert. Es gehe darum, ein Image zu kreieren, das dem gerecht wird, was er „archaische Männlichkeit“ nennt. Gezeigt hatte er langhaarige Musiker mit geschminkten Gesichtern, die wie Krieger aus dem Mittelalter posieren. Ein Einwand aus dem Publikum machte deutlich, dass diese Selbstdarstellungen bei Black Metal auch anders gelesen werden können. So meinte eine Frau, sie würde da schon eher feminine Wesen sehen, gepudert und geföhnt.

Auch die Musiker von Marduk treten im sogenannten Corpsepaint auf. Diese Kriegsbemalung lässt Black-Metaller aussehen wie leibhaftige Dämonen. Überhaupt bedienen sich Marduk der Klischeekiste ihrer Musik, wo sie nur können. Satanismus, Tod, Krieg, das sind ihre Themen, Schlachtengemälde und Monster bevölkern ihre Cover, ein Album haben sie Dracula gewidmet, Slogans wie „Death To Piece“ hauen sie raus wie Parteien Versprechen à la „Reichtum für alle“. Marduk sind eine absolut durchschnittliche Black-Metal-Band, was angesichts des riesigen Bodensatzes, den es in dieser Musik gibt, eher ein Lob ist.

Vergleicht man den Black Metal von Marduk mit dem unterdurchschnittlicher Bands, fällt erst auf, wie brutal, schnell, abwechslungsreich und vor allem gut produziert das Gebolze der Schweden ist. Ihr neues Werk „Wormwood“ ist geradezu ausgewogen, was Druck, Anflüge von Melodien und die Variation von Geschwindigkeit betrifft.

Nicht zu langweilen mit dem eigentlich immer Gleichen, diese Kunst beherrschen Marduk. Verglichen mit einem aktuellen Black-Metal-Underground, der sich um die musikalischen Konventionen des Genres nicht mehr kümmert und der so bizarre Formationen wie Urfaust oder Dead Raven Choir hervorgebracht hat, ist der Schwedenvierer jedoch bloß Hausmannskost. Der neue Black-Metal-Underground bedient nur noch imagemäßig die Regeln des Genres, klingt aber teilweise wie Sonic Youth im Fritzl-Keller, also aufregender und verstörender als alles, was Indierock heute noch so hinbekommt. Marduk dagegen sind eine Black-Metal-Band, die auch hundertprozentig so klingt.

ANDREAS HARTMANN

■ Marduk „Wormwood“ (Regain/Soulfood), live am 24. 9., K 17