: Komplizierter Dreiklang
Bundestrainer Löw muss beim Auftakt der WM-Quali gegen Island einiges andere im Blick haben
Für den isländischen Fragesteller war die Antwort vielleicht etwas enttäuschend, dem deutschen Nationalspieler Emre Can muss man aber seine Ehrlichkeit zugutehalten. Er gestand nämlich ein, dass er über die Stärken und Schwächen der isländischen Fußballnationalmannschaft nichts Genaues sagen könnte. Vor dem Auftakt der WM-Qualifikation am Donnerstagabend (20.45 Uhr/RTL) in Duisburg, das wurde auf der DFB-Pressekonferenz am Tag zuvor mehr als deutlich, hat das deutsche Team sowieso genug mit sich selbst zu tun.
Die Lage ist auch coronabedingt nicht ganz einfach. In der nun beginnenden heißen Phase der Vorbereitung auf die verschobene Europameisterschaft startet bereits die Qualifikation für das Turnier in Katar. Und zudem muss sich die Elf von Bundestrainer Joachim Löw noch einer weiteren Herausforderung stellen. Die 0:6-Niederlage beim letzten Länderspiel in Spanien hat das Selbstverständnis der DFB-Auswahl stark angegriffen. Neben den beiden künftigen Herausforderungen geht es also auch noch um Vergangenheitsbewältigung.
Löw, der erklärtermaßen mit der EM aufhören wird, berichtete, man habe beim ersten Zusammentreffen in diesem Jahr sich auch noch einmal Spielszenen aus der Partie in Sevilla vorgenommen, um „defensive Defizite“ herauszufiltern. Gegen die vermutlich eher zurückhaltenden Isländer wären wiederum „positive Offensivaktionen“ gefragt.
Der Plan von Löw sieht nun wie folgt aus: die drei WM-Qualifikationsspiele in den nächsten sechs Tagen gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien gewinnen, um dem Nachfolger gute Voraussetzungen zu hinterlassen. Dabei den verheerenden letzten Eindruck von Sevilla vergessen machen. Er kündigte an, wir wollen „uns positiv gegenüber den Fans zeigen“. Und man werde in nächster Zeit „rigoros“ und „gnadenlos“ an den Basics wie Zweikampfführung und Laufwegen arbeiten, um auch wieder für die großen EM-Duelle in der Gruppenphase gegen Frankreich und Portugal gerüstet zu sein.
Dieser komplizierte Dreiklang soll gleich am Donnerstagabend auch ohne die verletzten Toni Kroos, Niklas Sühle und Robin Gosens eingeübt werden. Emre Can hob hervor, dass wegen der großen Fluktuation zuletzt sich nie eine Mannschaft finden konnte und die Voraussetzungen dafür nun besser seien. Löw machte deutlich, dass er anders als zuvor jetzt nicht mehr auf Wünsche von Vereinen eingehen werde. „Wir können keine Rücksicht mehr nehmen.“ Die Zeit der Experimente ist vorbei, weshalb der Bundestrainer auch den Neulingen Jamal Musiala und Florian Wirtz kein Länderspieldebüt versprechen wollte.
Johannes Kopp
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen